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Vorfälligkeitsentschädigung umgehen

28. Juni 2021

Meist befinden sich Kreditnehmer ohnehin in einer schwierigen Situation, wenn sie einen Kredit vorzeitig kündigen müssen und dann verlangt die Bank oft auch noch eine Vorfälligkeitsentschädigung. Damit die Kunden nicht unvorbereitet ihren Kredit kündigen und ggf. die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können erklären wir hier:

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung und wie wird sie berechnet?

Wird ein Darlehen vor Ende der Zinsbindung gekündigt, steht der Bank in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung zu. Der Grund dafür ist, dass die Bank sich selbst langfristig Geld ausleihen muss, um den Kredit auszahlen zu können (sogenannte Refinanzierung). Das kann zum Beispiel über langfristige Einlagen von anderen Kunden, Anleihen oder Pfandbriefe geschehen. Diese von ihr aufgenommenen Schulden kann die Bank selbst nicht einfach zurückzahlen.

Kündigt ein Kreditnehmer seinen Kredit vorzeitig, muss die Bank das Geld daher anderweitig anlegen oder verleihen. Und wenn das Zinsniveau inzwischen gesunken ist, bedeutet das für die Bank einen Schaden, den der Kreditnehmer durch die Vorfälligkeitsentschädigung ausgleichen muss. Darüber hinaus soll diese auch einen Ersatz für entgangene Gewinne der Bank darstellen. Schließlich durfte die Bank darauf vertrauen, dass der Darlehensvertrag auch wie vereinbart erfüllt wird.

Übrigens: Die Bank selbst kann ein Darlehen nur vorzeitig kündigen, wenn sie einen wichtigen Grund hat. Das setzt voraus, dass der Kreditnehmer seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt, beispielsweise indem er seine Raten nicht zahlt. Ob die Bank auch in diesem Fall einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung hat, ist derzeit umstritten. Für Bauspardarlehen fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an.

Vorfälligkeitsentschädigung bei der Baufinanzierung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Kündigung bei berechtigtem Interesse auch während der Zinsbindung möglich sein muss, beispielsweise bei einem Verkauf der finanzierten Immobilie. Im BGB ist bei Immobiliendarlehen aber das Recht auf vorzeitige Kündigung gar nicht vorgesehen, sofern bei der Baufinanzierung eine Sicherung durch eine Grundschuld vereinbart wurde. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung für Immobiliendarlehen ist deshalb gesetzlich nicht geregelt. Außerdem ist die Berechnung sehr komplex und bietet einen großen Ermessensspielraum für die Bank. Über diese Angemessenheit wird daher vor Gericht intensiv gestritten.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch festgelegt, dass sich die Vorfälligkeitsentschädigung aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Zins und einem Vergleichszins berechnet. Diese Differenz wird zu jedem Zeitpunkt jeweils für die gemäß Tilgungsplan ausstehende Restschuld fällig.

Bei der Berechnung des Vergleichszinses hat die Bank die Wahl zwischen zwei Modellen. Zum einen kann die Bank zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung den aktuell üblichen Zins für vergleichbare Geschäfte heranziehen. Die Zinsdifferenz erhöht sich dann noch um einen sogenannten Zinsmargenschaden von rund 0,5 Prozent pro Jahr. Damit werden zum Beispiel entgangene Gewinne sowie die Vertriebskosten für einen neuen Kredit abgegolten. Da diese Methode für den Kunden aber meist günstiger ist, wird sie selten angewendet.

Zum anderen kann der aktuell am Markt erzielbare Zins für Hypothekenpfandbriefe als Grundlage für den Vergleichszins dienen. Hypothekenpfandbriefe sind allerdings für die Bank weniger riskant als Darlehen an Verbraucher. Daher verringert sich die Vorfälligkeitsentschädigung um einen Risikoabschlag von ca. 0,1 bis 0,15 Prozent pro Jahr.

Für die Vorfälligkeitsentschädigung ist dabei nicht der ursprüngliche Tilgungsplan relevant. In dem für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung aufzustellenden Tilgungsplan müssen nämlich sämtliche vertraglich vereinbarte Möglichkeiten zur Sondertilgungen berücksichtigt werden – und das in der maximalen Höhe und zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Außerdem muss bei der Berechnung beachtet werden, dass das Darlehen nach zehn Jahren Laufzeit mit sechs Monaten Kündigungsfrist vollständig zurückgezahlt werden kann.

Ist ein variabler Zinssatz vereinbart, fällt übrigens in der Regel gar keine Vorfälligkeitsentschädigung an. Schließlich hat sich die Bank hier meist selbst kurzfristig finanziert oder kann das Geld anderweitig anlegen.

Vorfälligkeitsentschädigung bei Ratenkrediten

Für einen Ratenkredit an Verbraucher, der nicht durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, ist die Vorfälligkeitsentschädigung begrenzt auf ein Prozent der zurückgezahlten Summe (0,5 Prozent bei einer Restlaufzeit unter einem Jahr) sowie die bis zum Laufzeitende ausstehenden Zinsen. Von dieser Regelung sind beispielsweise auch Autokredite betroffen, nicht jedoch Leasing.

Voraussetzung ist auch hier, dass das Darlehen mit einem festen Zins (gebundener Sollzinssatz) abgeschlossen wurde. Bei variablen Zinsen gibt es auch in diesem Fall keine Vorfälligkeitsentschädigung.

Für Kredite an Unternehmen und Förderkredite, beispielsweise von der KfW, gelten ggf. andere Regelungen.

Die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. Bei länger laufenden Immobilienkrediten kann man das Darlehen nach zehn Jahren Laufzeit jederzeit mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt dann nicht an, selbst wenn die Zinsbindung noch nicht abgelaufen ist. Läuft die vereinbarte Zinsbindung ab, kann man die Anschlussfinanzierung übrigens auch bei einer anderen Bank machen.

Natürlich kann der Kreditnehmer auch überprüfen (lassen), ob die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung korrekt berechnet wurde. Ein Ansatzpunkt wäre z.B. die Überprüfung der angesetzten Zinssätze. Auch „vergessen“ Banken bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung manchmal, folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Das Ende der Zinsbindung.
  • Die Möglichkeit der kostenlosen Rückzahlung nach 10 Jahren – unabhängig von der Zinsbindung.
  • Berücksichtigung von vereinbarten Möglichkeiten der Sondertilgung.
  • Berücksichtigung einer vereinbarten Option, die Tilgung zu ändern.

Dazu kommt: Seit März 2016 müssen die Banken ihre Kunden bereits bei Vertragsabschluss über die Vorfälligkeitsentschädigung informieren. In § 502 (2) BGB heißt es dazu: „Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn […] im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.“ Was unzureichend ist, muss im Einzelfall von Gerichten geklärt werden. Der BGH befand aber beispielsweise im Juni 2021 die Formulierungen der Commerzbank für unzureichend (Az.: XI ZR 320/20).

Außerdem kann der Kreditnehmer versuchen, mit seiner Bank über die Vorfälligkeitsentschädigung zu verhandeln. So kann der Darlehensvertrag einvernehmlich aufgelöst werden. Alternativ dazu kann das Darlehen auch bei der selben Bank weitergeführt werden. Das kann zum Beispiel Sinn machen, wenn zwar die alte Immobilie verkauft, aber gleichzeitig ein neues Haus erworben wird. Oder wenn der Käufer des Hauses den Kredit übernimmt. Sollte die Bank nicht über die Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln wollen, der Kreditnehmer bei einer Fortführung des Kredits (oder bei einem Neuabschluss bei der selben Bank) aber konkret nachweisen können, dass der Zinsschaden niedriger ausgefallen ist als von der Bank behauptet, lässt sich die Vorfälligkeitsentschädigung zumindest reduzieren.

Widerruf zur Umgehung der Vorfälligkeitsentschädigung

In vielen Fällen kann auch durch einen Widerruf des Kredits eine Vorfälligkeitsentschädigung vermieden werden: Hat die Bank beim Abschluss des Kredits nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt, kann der Darlehensvertrag oft noch nach Jahren widerrufen werden. Und die Widerrufsbelehrungen waren lange Zeit überwiegend fehlerhaft. Mit dem sogenannten Widerrufsjoker lässt sich dabei nicht nur die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen, sondern der Kreditnehmer erhält in der Regel auch Geld von der Bank zurück.

Seit dem 21. Juni 2016 sind viele Altfälle aus der Zeit bis 2010 allerdings verjährt. Bei neueren Immobiliendarlehensverträgen verfällt das Widerrufsrecht wesentlich schneller. Für Immobilienkredite, die zwischen 2010 und 2016 abgeschlossen wurden, und für Ratenkredite besteht das ewige Widerrufsrecht aber weiter. Besonders attraktiv ist die Option des Widerrufs bei Autokrediten, da hier auch gleich das Fahrzeug zurückgegeben werden kann.

Ohne eine gute Rechtsschutzversicherung ist ein Widerruf allerdings mit einem hohen Kostenrisiko verbunden – zumindest, wenn man die Bank verklagen muss. Sofern noch Zeit ist, kann aber auch noch rechtzeitig eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden, da beim Widerruf des Kredits der Versicherungsfall erst mit der Ablehnung durch die Bank eintritt. Ein Vergleich von Rechtsschutzversicherungsanbietern findet sich z.B. bei Tarifcheck.*

Bank kündigt Kredit – Vorfälligkeitsentschädigung?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden (Az: XI ZR 103/15), dass bei einer vorzeitigen Kündigung durch die Bank – hier aufgrund von Zahlungsrückständen – keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig wird. Wurde diese bereits bezahlt beziehungsweise vom Verkaufserlös bei einer Zwangsversteigerung einbehalten, kann der Kreditnehmer sie zurückverlangen. Es empfiehlt sich allerdings nicht, die Zahlungen für einen Kredit absichtlich einzustellen und auf eine Kündigung durch die Bank zu hoffen. Zum einen kann die Bank auch die ausstehenden Raten (zuzüglich Verzugszinsen) eintreiben, statt zu kündigen. Zum anderen wird eine Kreditkündigung in der Regel an die Schufa gemeldet und macht dadurch eine zukünftige Kreditaufnahme schwer bis unmöglich. Diese Meldung an die Schufa kann außerdem zum Beispiel die Beantragung einer Kreditkarte, die Zahlung auf Rechnung oder den Abschluss eines Mobilfunkvertrags erschweren.

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