Bereits im Oktober 2019 hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) einen Rückruf für Mercedes Sprinter mit OM 651-Motor angeordnet (KBA-Referenznummer: 009424, 009704 und 011209). Der Grund waren unzulässige Abschalteinrichtungen, wodurch auch der Sprinter in den Diesel-Abgasskandal verwickelt ist.
Nun führt die Daimler AG die Rückrufe durch. Die internen Rückrufcodes für die unter der Marke Mercedes-Benz LKW vertriebenen Modelle sind NC3M651R und NC3II6515R. Für die unter der Marke Mercedes-Benz hergestellten Modelle lautet der Rückruf-Code NC3I6515R. In Deutschland dürften zusammen über 260.000 Fahrzeuge betroffen sein, darunter auch etliche Wohnmobile.
Welche Sprinter sind vom Rückruf betroffen?
Die Rückrufe beziehen sich auf Sprinter, die zwischen 2013 und 2018 gebaut wurden. Betroffen sind dabei aktuell ausschließlich Modelle mit dem Diesel-Motor OM 651. Bei diesem Aggregat wurde unter anderem die sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eingesetzt. Diese sorgt dafür, dass der Motor auf dem Prüfstand stärker gekühlt wird als auf der Straße, wodurch weniger Stickoxide entstehen.
Außerdem sind weltweit weitere Sprinter der Marke Mercedes-Benz betroffen, die zwischen 2011 und 2013 gebaut wurden. Bei Mercedes gab es auch Rückrufe für andere Modelle, nicht nur mit OM 651-Motor. Weitere dürften in Zukunft folgen.
Was wird bei den Rückrufen gemacht?
Bei den Rückruf-Codes NC3II6515R und NC3I6515R wird ein Update der Motorsteuerungs-Software eingespielt. Beim Rückruf-Code NC3M651R werden zusätzlich Sensoren, die Stickoxide messen, überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht.
Was genau die Maßnahmen bewirken, ist nicht bekannt. Daimler versichert zwar, dass es keine relevanten Auswirkungen gibt, aber der Hersteller behauptet auch, dass es gar keine illegalen Abschalteinrichtungen gibt. Es stellt sich insbesondere die Frage: Wenn man die Abschalteinrichtungen ohne negative Auswirkungen entfernen kann, warum hat Mercedes sie dann überhaupt eingebaut? Bei anderen Software-Updates (auch von anderen Herstellern wie VW) berichteten die Betroffenen anschließend oft von mehr Geräuschen, höherem Verbrauch, reduzierter Leistung und/oder häufigeren Motorschäden, z.B. von defekten AGR-Ventilen.
Die Rückrufe sind vom KBA angeordnet. Wer das Software-Update nicht machen lässt, riskiert also die Stilllegung seines Sprinters.
Welche Ansprüche habe ich?
Der BGH war zwar bisher recht gnädig mit Mercedes, dabei ging es aber immer nur um die umstrittenen „Thermofenster„. Für diese Thermofenster (alleine) gab es bisher noch bei keinem Hersteller einen Rückruf und der BGH hat sich noch nicht einmal dazu geäußert, ob sie überhaupt unzulässig sind. Die beim OM 651 eingesetzte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung dürfte dagegen eindeutig illegal sein und das muss den Verantwortlichen auch bewusst gewesen sein.
Daher ist davon auszugehen, dass betroffene Diesel-Besitzer ihren Sprinter zurückgeben können. Dann erhalten sie den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Bei einem Nutzfahrzeug wie dem Sprinter dürften die Gerichte dabei auch eine höhere zu erwartende Lebensdauer ansetzen. Die in unserem Mercedes-Schadensersatz-Rechner ermittelten Rückgabe-Werte dürften daher eher vorsichtig geschätzt sein. Alternativ kann man auch sein Auto behalten und eine Einmalzahlung als Schadensersatz fordern. Die Rückgabe ist aber meist attraktiver und leichter durchzusetzen.
Übrigens: Das Recht auf Schadensersatz oder Rückabwicklung haben nicht nur Privatkunden, sondern auch gewerbliche Fahrzeugbesitzer. Gerade beim Sprinter dürfte das die Mehrheit sein. Außerdem kann man seine Ansprüche auch bei gebrauchten Modellen geltend machen.