Ende Januar 2022 führten Polizei und Staatsanwaltschaft Stuttgart bei der Erwin Hymer Group SE eine Hausdurchsuchung durch. Hintergrund sind laut Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug und strafbare Werbung. Dabei geht es um angeblich falsche Gewichtsangaben für Wohnmobile des Konzerns.
Das grundlegende Problem ist in der Branche bereits länger bekannt: Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t sind besonders beliebt, weil man dafür nur einen Führerschein der Klasse B benötigt. Außerdem gelten für diese Fahrzeuge weniger Beschränkungen und auch Maut oder Fährgebühren sind teilweise günstiger. Gleichzeitig verlangen die Kunden eine möglichst große Zuladung, um Gepäck, Passagiere und zusätzliche An- und Einbauten mitnehmen zu können. Daher müssen die Wohnmobil-Hersteller sehr erfinderisch sein, um das Leergewicht tatsächlich oder zumindest auf dem Papier niedrig zu halten. Die Staatsanwaltschaft scheint jetzt davon auszugehen, dass Hymer dabei die Grenzen des Legalen nicht nur ausgetestet, sondern überschritten hat.
Für Hymer-Kunden hat das zwei Folgen:
- Sie sollten sich nicht auf die Herstellerangaben zum Leergewicht verlassen. Ansonsten kann es schnell sein, dass sie für ihr überladenes Wohnmobil Strafe zahlen müssen.
- Sollten sich die Betrugsvorwürfe gegen (leitende) Angestellte von Hymer bestätigen, können die Kunden Schadensersatz fordern. Ist das Wohnmobil zu schwer ohne dass man Vorsatz nachweisen kann, ist Schadensersatz zumindest in der Gewährleistungsfrist möglich.
Zum Konzern gehören neben Hymer auch die Marken Bürstner, Dethleffs, Eriba, Laika Caravans, Niesmann + Bischoff, LMC, TEC, Capron, Carado und Sunlight. Daher sollten auch die Besitzer von Wohnmobilen dieser Marken auf der Hut sein. Außerdem ist zwar der Druck, Gewicht einzusparen, bei Wohnmobilen der Klasse bis 3,5 t besonders groß, denkbar sind Betrügereien aber auch bei Modellen mit „Auflastung“ oder sogar bei ganz großen Wohnmobilen bis 7,5 t.
Übrigens: Viele Camper sind daneben vom Wohnmobil-Abgasskandal betroffen. Auch diese Kunden können oft Schadensersatz bekommen oder ihr Fahrzeug zurückgeben.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten