Der Staat muss bei einer überlangen Verfahrensdauer in einem Umgangsverfahren bzw. Sorgerechtsstreit dem geschädigten Elternteil eine höhere Entschädigung zahlen als gewöhnlich. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 6. Mai 2021 (Az.: III ZR 72/20) entschieden.
Der Regelsatz für Verzögerungen im Gerichtsverfahren beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung (§ 198 Abs. 2 S. 4 GVG). Der BGH hat nun entschieden, dass diese Entschädigungspauschale „bei Vorliegen besonderer Umstände“ zu erhöhen ist. Dies gilt allerdings nicht prinzipiell bei Verzögerungen in Umgangsverfahren, sondern ist immer im Einzelfall zu prüfen.
Gefahr der Entfremdung bei Verfahrensverzögerung
Geklagt hatte eine Mutter, die vor Gericht das Sorge- und Umgangsrecht für ihre zwei Kinder beantragt hat. Die beiden Kleinkinder lebten beim Kindsvater. Das Umgangsverfahren zog sich jedoch mehr als drei Jahre (37 Monate) in die Länge, weshalb die Mutter vom Staat eine Entschädigungszahlung forderte. Das OLG Koblenz sprach ihr eine der Entschädigungspauschale entsprechende Summe von 3.700 Euro zu, wogegen die Mutter beim BGH Revision einlegte. Dieser gab ihr Recht. In vorliegendem Fall liegen besondere Umstände vor, was eine Erhöhung des gesetzlichen Pauschalsatzes rechtfertigt. Insbesondere bei Kleinkindern stelle die überlange Verfahrensdauer eine „schwerwiegende Beeinträchtigung des betroffenen Elternteils in seinem Recht auf Umgang“ dar. Es bestehe die Gefahr einer Entfremdung von Mutter und Kindern, weshalb der Mutter eine höhere Entschädigung zustehe.