Zusammenfassung:
- Selbst unter Anwälten herrscht eine große Unsicherheit darüber, ob kostenlose Erstberatungen zulässig sind oder nicht.
- Grund dafür ist eine Gesetzesänderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) aus dem Jahr 2006.
- Seitdem gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Mindestgebühr mehr, die Anwälte für Erstberatungen berechnen müssen.
Nicht jeder Gang zum Anwalt bezweckt die Einleitung eines langen – und oft auch kostspieligen – Gerichtsprozesses. Oft wünschen sich juristische Laien einfach ein kurzes Gespräch mit den wichtigsten Tipps zu einer Alltagssituation. Vielleicht zeigt sich schon nach den ersten Minuten, dass eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Haben die Rechtssuchenden diesbezüglich selbst Zweifel, kann eine sogenannte Erstberatungsgebühr von 190 Euro schnell abschrecken. Das gilt umso mehr, wenn die Geldsumme, um die gestritten wird, selbst nicht hoch ist.
Eine kostenlose Erstberatung bietet für Rechtssuchende also viele Vorteile und vor allem die Sicherheit, dass sie grundlegende Rechtstipps erhalten, bevor bereits Kosten entstehen. Auch für Anwälte kann dies durchaus lohnenswert sein – denn kommt es doch zu einer Klage, wenden sich die meisten Betroffenen an den Anwalt, der sie bereits beraten hat.
Wer als Anwalt eine kostenlose Erstberatung anbietet, muss aber bald selbst mit Abmahnungen oder gar Klagen rechnen. Sie kommen meist von anderen Anwälten, die nicht möchten, dass gängige Mindestpreise unterschritten werden. Aber wer hat nun Recht? Ist die kostenlose Erstberatung zulässig? Und warum besteht hier so eine große Unsicherheit?
Warum war früher eine kostenlose Erstberatung durch einen Anwalt nicht möglich?
Der Knackpunkt der Problematik der kostenlosen Erstberatung liegt in § 49b I 1 BRAO. Diese Norm verbietet es Anwälten, geringere Gebühren und Auslagen zu berechnen, als das RVG vorsieht. Das RVG normierte bis 2006 eine gesetzliche Gebühr für außergerichtliche Beratungen. Unter den Begriff der außergerichtlichen Beratungen fallen auch Erstgespräche mit einem Anwalt – egal, wie kurz sie sind. Deshalb wurde hierdurch früher zwingend die Erstberatungsgebühr ausgelöst.
Wie ist die Rechtslage zur Erstberatungsgebühr heute?
Im Jahr 2006 gab es eine Gesetzesänderung des RVG. Im Rahmen dieser Änderung wurden die gesetzlich vorgesehenen Gebühren für eine mündliche oder schriftliche Beratung aufgehoben – und zwar ersatzlos. Das bedeutet, dass das RVG nun keine Mindestgebühr für die Erstberatung vorsieht. Deshalb kann nun auch nicht länger mit § 49b I 1 BRAO argumentiert werden, da eine entsprechende Untergrenze nicht mehr existiert.
Diese Gesetzesänderung haben bis heute nicht alle Anwälte verinnerlicht. Dadurch kommt es nach wie vor zu Abmahnungen und Klagen gegen Kollegen. Die damit betrauten Gerichte entscheiden allerdings eindeutig: Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urteil vom 28.12.2006 – 2 U 134/06 – Rn. 22, NJW 2007, 924, mwN) hat die kostenlose Erstberatung infolge der Gesetzesänderung für zulässig befunden. Dies hat später auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt (Urteil vom 03.07.2017, Az. AnwZ (Brfg) 42/16).
Kostenlose Erstberatungen sind zulässig – und bieten Vorteile für beide Seiten
Zahlreiche Gerichtsurteile zeigen: Anwälte dürfen Ihren Mandanten eine kostenlose Erstberatung anbieten. Denn seit der Gesetzesänderung im Jahr 2006 gibt es lediglich eine Obergrenze, die Anwälte nicht überschreiten dürfen – eine Untergrenze wird nicht mehr vorgeschrieben.
Dies ermöglicht es Anwälten, mit erschwinglichen Angeboten zu werben und ihre Mandanten von den oft hohen Anwaltsgebühren zu entlasten. Hier sind ihnen nämlich oft durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) die Hände gebunden.