Wenn ältere Menschen pflegebedürftig werden und ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können, sind sie auf besondere Hilfe angewiesen. Das bedeutet möglicherweise einen Umzug in ein Alten- bzw. Pflegeheim oder eine besondere Pflegesituation in den eigenen vier Wänden. Eines lässt sich dabei festhalten: Pflege im Alter kostet Geld. Zwar erhalten pflegebedürftige Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung, jedoch sind die Pflegekosten meist so hoch, dass Rente, Pflegeleistungen und gespartes Vermögen nicht zur Deckung ausreichen. In diesen Fällen übernimmt das Sozialamt den Rest der Pflegekosten und kann dann unter Umständen die Kinder der Pflegebedürftigen in die Pflicht nehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Geld in Form von sogenanntem „Elternunterhalt“ zurückgefordert werden. Denn laut Gesetz sind nicht nur Eltern zum Kindesunterhalt verpflichtet. Auch erwachsene Kinder haben eine Unterhaltspflicht für Eltern, wenn sie finanziell dazu in der Lage sind.
In diesem Artikel informieren wir Sie darüber
wer für die anfallenden Pflegekosten aufkommen muss,
wann Kinder Unterhalt für die Eltern zahlen müssen,
wie der Elternunterhalt berechnet wird,
wie sich die Gesetzesänderung 2020 auf den Elternunterhalt auswirkt,
ob es Ausnahmen beim Elternunterhalt gibt.
Pflegekosten: Wer muss bezahlen?
Wird ein alter Mensch pflegebedürftig, hat er Anspruch auf Pflegeleistungen durch die gesetzliche Pflegeversicherung. Die Pauschale, die die Versicherung für die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung übernimmt, richtet sich dabei nach dem Pflegegrad. Daneben muss jeder Heimbewohner einen Teil der Kosten selbst tragen. Der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil ist dabei unabhängig vom Pflegegrad für jeden Heimbewohner gleich. Daneben müssen auch die Investitionskosten sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung vom Pflegebedürftigen selbst getragen werden. Der Eigenanteil, der damit auf die Heimbewohner zukommt, beläuft sich im Durchschnitt monatlich auf rund 2.000 Euro (Stand: Januar 2021). Bei vielen sind jedoch die Rente und das Ersparte nicht ausreichend, um diese hohen Kosten zu decken. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme der Pflegekosten zu stellen.
Doch bevor der Sozialhilfeträger für die Pflegekosten aufkommt, muss der Pflegebedürftige sein eigenes Vermögen für die Finanzierung der Pflege verwenden. Lediglich ein Schonvermögen von 5.000 Euro dürfen Pflegebedürftige für sich behalten. Zudem kann der Sozialhilfeträger Angehörige in gerader Linie und Ehepartner in die Pflicht nehmen. Ehepartner sind grundsätzlich dazu verpflichtet, sich gegenseitig Familienunterhalt zu leisten. Diese Verpflichtung endet auch nicht mit der Unterbringung eines Ehepartners in einer Pflegeeinrichtung. Den Ehepartnern von Pflegebedürftigen steht dabei ebenfalls ein Schonvermögen von 5.000 Euro zu bzw. ein angemessener Selbstbehalt, der sich an den Grundsätzen des Trennungsunterhalts orientiert. Geht das Vermögen darüber hinaus müssen Ehepartner für die Pflegekosten aufkommen, bevor das Sozialamt einspringt.
Doch was passiert, wenn der Ehepartner des Pflegebedürftigen selbst auf Sozialhilfe angewiesen ist oder schon verstorben ist? Inwiefern müssen sich Kinder an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen?
Elternunterhalt: Wann besteht eine Unterhaltspflicht für Eltern?
Laut Gesetz sind leistungsfähige erwachsene Kinder dazu verpflichtet, ihren Eltern Unterhalt zu zahlen, wenn die ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst finanzieren können. Dieser sogenannte Elternunterhalt wird vom Sozialamt insbesondere dann geltend gemacht, wenn Pflegebedürftige selbst nicht für ihre Pflegekosten aufkommen können. So kann es passieren, dass der Sozialhilfeträger die Pflegekosten übernimmt und dann von den Kindern eine Rückzahlung fordert.
Elternunterhalt: Neuregelung 2020
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz, das im Januar 2020 in Kraft getreten ist, wurde der Elternunterhalt allerdings neu geregelt. Seit Januar 2020 müssen sich Kinder nur noch dann an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen 100.000 Euro übersteigt. Neben dem Gehalt werden auch sonstige Einnahmen beispielsweise aus Vermietung, Verpachtung oder Wertpapierhandel zum jährlichen Bruttoeinkommen gezählt. Auch Sonderzahlungen wie Kindergeld und Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld werden dazugerechnet. Vorhandenes Vermögen wird dagegen nicht berücksichtigt. Außerdem gibt es steuerrechtliche Abzugsmöglichkeiten, z. B. von Kinderbetreuungskosten und Werbungskosten. Wer nach Abzug unter die 100.000-Euro-Grenze fällt, ist nicht unterhaltspflichtig.
Gut zu wissen:
Das Angehörigen-Entlastungsgesetz enthält eine sogenannte Vermutungsregel. Nur wenn das Sozialamt Ihr Einkommen über der 100.000-Euro-Grenze vermutet, müssen Sie Ihre Einkommensverhältnisse offenlegen. Im Regelfall gehen die Behörden davon aus, dass Ihr Einkommen unter dieser Grenze liegt.
Eine weitere Änderung beim Elternunterhalt betrifft die Schwiegerkinder der Pflegebedürftigen. Da Schwiegerkinder nicht in gerader Linie mit ihren Schwiegereltern verwandt sind, sind sie nicht unterhaltspflichtig. Mit der Neuregelung wird ihr Einkommen und Vermögen nicht mehr zur Berechnung des Jahresbruttoeinkommens herangezogen.
Die Einkommensgrenze beim Elternunterhalt ist seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes am 1. Januar 2020 gültig. Sind Sie vor diesem Zeitpunkt für die Pflege Ihrer Eltern aufgekommen, obwohl Sie unter der Jahreseinkommensgrenze fallen, können Sie leider keine Rückzahlung einfordern. Sie müssen jedoch künftig keinen Elternunterhalt mehr leisten und können die Unterhaltszahlungen einstellen.
Elternunterhalt: Berechnung
Liegt Ihr Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro, müssen Sie sich an den Pflegekosten Ihrer Eltern beteiligen. Doch wie wird der Elternunterhalt berechnet?
Für die Berechnung des Elternunterhalts wird das bereinigte monatliche Nettoeinkommen herangezogen. Arbeitnehmer berechnen dafür ihr durchschnittliches Nettogehalt aus den zwölf Monaten vor Beginn der Unterhaltspflicht. Selbstständige ziehen ihr durchschnittliches Nettoeinkommen der letzten drei bis fünf Jahre heran. Vom so ermittelten Betrag werden dann noch bestimmte regelmäßige Ausgaben sowie der Selbstbehalt abgezogen.
Abziehbare Posten sind zum Beispiel:
- Unterhaltspflichten
- Kreditraten, Zins- und Tilgungskosten
- private Altersvorsorge
- berufsbedingte Aufwendungen
- Krankenvorsorge und krankheitsbedingte Aufwendungen
- Kosten für Besuche des Elternteils
Daneben wird auch ein angemessener Selbstbehalt abgezogen, der sich nach der Düsseldorfer Tabelle richtet. Der Selbstbehalt beläuft sich derzeit auf 2.000 Euro. Sind Sie verheiratet, steht Ihnen ein Familienselbstbehalt von 3.600 Euro zu.
Vom Betrag, der sich aus dem bereinigten Nettoeinkommen nach Abzug des Selbstbehalts ergibt, ist je nach Anspruch der pflegebedürftigen Eltern maximal die Hälfte als Elternunterhalt zu leisten.
Rechenbeispiel:
Frau S. verdient 105.000 € brutto im Jahr. Nach Abzug der Werbekosten, die sich bei ihr auf 4.500 € belaufen, liegt ihr Jahresbruttoeinkommen mit 100.500 € immer noch über der Einkommensgrenze. Frau S. monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf 4.763 €. Ihre abziehbaren Posten aus Altersvorsorge und berufsbedingten Aufwendungen betragen insgesamt 587,50 €. Nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts von 2.000 € bleibt ein zum Elternunterhalt heranzuziehender Betrag von 2.175,50 €. Daraus ergibt sich ein Unterhaltsanspruch aus maximal 50 %, also 1.087,75 €. Um die Pflegekosten der Mutter von Frau S. zu decken, bedarf es nach Abzug der Pflegeleistungen und der Rente monatlich noch einer Summe von 975 €. Frau S. muss also Elternunterhalt in Höhe von 975 € leisten.
Elternunterhalt: Berechnung bei Geschwistern
Gibt es mehrere Kinder eines pflegebedürftigen Elternteils, wird deren Jahresbruttoeinkommen nicht zusammengerechnet, sondern einzeln betrachtet. Verdienen alle Kinder weniger als 100.000 brutto im Jahr, muss auch kein Elternunterhalt geleistet werden. Anders verhält es sich, wenn eines oder sogar mehrere Kinder die Einkommensgrenze überschreiten. Unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wird dann anteilig der Elternunterhalt pro Geschwisterkind berechnet. Nur Kinder, deren Jahresbruttoeinkommen mehr als 100.000 € beträgt, müssen ihren Anteil am Elternunterhalt leisten. Die Anteile der Geschwister müssen vom unterhaltspflichtigen Kind nicht mitgetragen werden.
Elternunterhalt: Ausnahmen
Eltern können den Anspruch auf Unterhalt verlieren, wenn sie sich vorsätzlicher schwerer Verfehlungen gegenüber dem unterhaltspflichtigen Kind schuldig gemacht haben. Zu schweren Verfehlungen zählen unter anderem Misshandlungen, ständige grobe Beleidigungen und Drohungen sowie Verleumdung. Auch wenn das Elternteil seine eigenen Unterhaltspflichten dem Kind gegenüber grob vernachlässigt hat, kann der Anspruch auf Elternunterhalt entfallen. Ein Kontaktabbruch oder die Enterbung des Kindes wird dagegen nicht als schwere Verfehlung gewertet. Ob der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt ist, wird vor Gericht entschieden. Das unterhaltspflichtige Kind muss dort die schuldhafte schwere Verfehlung beweisen.
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