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Klimakleber – wann machen sie sich strafbar und was dürfen Autofahrer?

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Wie machen sich Klimakleber strafbar?
25. Mai 2023

Zusammenfassung:

  • Unter Umständen erfüllen Klimakleber den Straftatbestand der Nötigung. Dies aber nur dann, wenn sie tatsächlich physischen Zwang ausüben. Ob das so ist, muss ein Gericht einzelfallabhängig entscheiden.
  • Wehren sich Aktivisten mit Gewalt gegen Polizisten, machen sie sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar.
  • Autofahrer dürfen Klimakleber nur dann selbst wegtragen, wenn darin eine Notwehrhandlung zu sehen ist. Eine Notwehrhandlung ist anzunehmen, wenn gegen den Autofahrer ein rechtswidriger Angriff – zum Beispiel eine Nötigung – vorliegt.

Sie geben den altbekannten Sitzblockaden eine intensivere Note: Die sogenannten “Klimakleber” kleben sich wortwörtlich auf der Straße fest, um den Verkehr dadurch zu behindern und auf den Umweltschutz aufmerksam zu machen. Das trifft bei den betroffenen Autofahrern auf alles andere als auf Gegenliebe: Sie sind verärgert, frustriert und fragen sich, ob und wie sie gegen Klimakleber vorgehen dürfen. Dürfen Sie als Autofahrer versuchen, die Aktivisten eigenständig (vorsichtig) vom Asphalt zu lösen und wegzutragen? Und welche Straftatbestände erfüllen Klimakleber eigentlich?

Verkehrsblockade = Nötigung?

Eine Nötigung im strafrechtlichen Sinne liegt vor, wenn Sie zu einem Verhalten oder einem Unterlassen gebracht werden, das Sie eigentlich so nicht wollen. Klimakleber hindern Autofahrer daran, weiterzufahren und zwingen sie zum Beispiel dazu, eine alternative Strecke zu wählen. Allerdings muss das ungewollte, veränderte Verhalten durch Gewalt oder Drohung bewirkt werden. Hier argumentieren viele, dass Klimakleber sich ja bloß “friedlich” auf die Straße setzen, also von Gewalt keine Rede sein könne.

Der strafrechtliche Gewaltbegriff geht aber über das hinaus, was im Volksmunde damit assoziiert wird. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2001 entschieden, dass Sitzblockaden auf Straßen eine physische Zwangswirkung entfalten, die zumindest die Autos in zweiter Reihe nachhaltig blockieren. Diese Entscheidung hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten aufgegriffen und daraufhin im Jahr 2022 die Nötigung in einem Klimakleber-Fall bejaht (Az. 422 Cs 231 Js 1831/22).

Allerdings hat eine andere Abteilung des gleichen Gerichts in einem ähnlichen Fall anders entschieden und den Tatbestand der Nötigung verneint (Az. (303 Cs) 237 Js 2450/22 (202/22)). Begründet wurde dies unter anderem mit der Wichtigkeit des Klimawandels, der schließlich alle beträfe. Somit können aktivistische Aktionen von Umweltschützern, die andere Menschen einschränken, nicht per se als Nötigung angesehen werden. Ob eine Nötigung vorliegt, muss letztlich ein Gericht für den Einzelfall entscheiden.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte liegt vor, wenn eine Person mit Gewalt Widerstand gegen einen Amtsträger ausübt. Viele Aktivisten lassen sich ohne Weiteres forttragen, womit noch kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorliegt. Sogar das Festkleben an sich sei nach dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten nicht als Erfüllung des Straftatbestands anzusehen.

Dürfen Autofahrer Klimakleber lösen und wegtragen?

Sie sind auf dem Weg zur Arbeit, der Ihnen plötzlich versperrt wird, weil Klimakleber die Straße blockieren. Dürfen Sie nun aussteigen und versuchen, die Aktivisten wegzutragen, um ungehindert weiterfahren zu können? Je nach Einzelfall könnte darin eine Notwehrhandlung zu sehen sein. Notwehr dürfen Sie ausüben, wenn jemand anderes Sie rechtswidrig angreift. Ein solcher rechtswidriger Angriff läge zum Beispiel vor, wenn in der Handlung der Aktivisten eine Nötigung zu sehen wäre. Da aber gerade das nicht mit jedem Klimakleben erfüllt ist, dürfen Sie sich leider nicht per se darauf verlassen.
Auf der sicheren Seite sind Sie hingegen, wenn Sie die Polizei informieren. Sie ist dazu befugt, Klimakleber zu entfernen und schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass der Verkehr wieder fließen kann.

Autor

Lisa hat Jura studiert und ist seit ihrem ersten Examen neben ihrem Master of Laws (LL.M.) als freiberufliche Autorin tätig. Schon seit Jahren schreibt sie juristische Beiträge für verschiedene Blogs, Kanzleien und Unternehmen.

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