Viele Kunden des VW-Konzerns haben sich der Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen angeschlossen, um im Dieselskandal ihre Rechte durchzusetzen. Dabei stellt sich aber die Frage, ob eine solche „Sammelklage“ das optimale Mittel für die Diesel-Besitzer ist. Inzwischen ist auch eine Anmeldung zur Musterfeststellungsklage nicht mehr möglich. Wir erläutern hier,
- welche Alternativen es zur Musterfeststellungsklage noch gibt,
- welche Vorteile die VW-Musterfeststellungsklage hat,
- welche Nachteile die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen hat,
- wie man aus der Musterfeststellungsklage aussteigen konnte bzw. kann.
UPDATE: Die VW-Musterfeststellunsklage ist zwar vorbei, aber seit Juli 2021 gibt es eine erste Mercedes-Musterfeststellungsklage.
Alternativen zur Musterfeststellungsklage
Da eine Anmeldung zur Musterfeststellungsklage seit 1.10.2019 nicht mehr möglich ist, bleibt den betroffenen Diesel-Besitzern i.d.R. nur noch eine individuelle Diesel-Klage. Bei Rechtecheck ist das auch für Kunden, die keine Rechtsschutzversicherung haben, ohne Kostenrisiko möglich.
Teilweise gibt es zur Individualklage noch Alternativen, diese stehen allerdings entweder nur wenigen Betroffenen offen oder sie sind noch gar nicht abzusehen:
Die Aktuelle VW-Musterfeststellungsklage bezieht sich ausschließlich auf Modelle mit dem Motor EA 189. Damit konnten sich der „Sammelklage“ nur Kunden von bestimmten Modellen der Marken VW, Seat, Skoda oder Audi anschließen. Theoretisch ist es daher möglich, dass auch für andere betroffene Modelle noch eine Musterfeststellungsklage eingereicht wird. Potentielle Beispiele sind die Audi-Modelle mit großem Hubraum, Diesel von Daimler/Mercedes-Benz, einige Opel-Modelle oder neuere VW-Modelle mit EA288-Motor. Allerdings sind uns aktuell keine Pläne für eine solche Musterfeststellungsklage bekannt.
In der Schweiz können sich Geschädigte einer sogenannten Strafklage der Bundesanwaltschaft anschließen. Dies dürfte allerdings nur für Schweizer möglich sein. Außerdem sind Dauer und Ausgang des Verfahrens eher ungewiss. So hat die Staatsanwaltschaft erst Ermittlungen aufgenommen, nachdem sie dazu verurteilt wurde.
Eine weitere Alternative bietet sich Kunden, die ihr Fahrzeug über einen Autokredit oder Leasing finanziert haben. Sie können oft die Finanzierung widerrufen und dabei das Fahrzeug zurückgeben. Allerdings kommt man auch hier kaum um eine individuelle Klage herum.
Welche Vorteile hat die VW-Musterfeststellungsklage?
Ein wichtiger Vorteil der Musterfeststellungsklage ist, dass sie die Verjährung im Dieselskandal hemmt. Dies gilt solange das Verfahren läuft und Sie im Klageregister eingetragen sind. Nach Verfahrensende oder wenn Sie sich wieder austragen lassen, dauert die Verjährung noch (mindestens) 6 Monate.
Außerdem ist die Eintragung im Klageregister für Sie kostenlos. Sofern die Musterfeststellungsklage gewonnen wird, können Sie anschließend ohne Risiko Ihre eigene Entschädigung einfordern.
Welche Nachteile hat die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen?
Die VW-Musterfeststellungsklage hat jedoch auch einige Nachteile:
Bisher scheut VW Urteile von höheren Gerichten und bietet daher oft großzügige Vergleiche an. Im Rahmen des VW-Vergleichs hat der Konzern wesentlich weniger angeboten.
Aus demselben Grund drohte sich der Musterfeststellungsprozess sehr lange hinzuziehen. VW selbst rechnete mit einem endgültigen Urteil erst 2023. Erst dann hätten die Kunden ihre individuellen Ansprüche durchsetzen können. Die damit trotzdem notwendigen, individuellen Klagen hätten bei Hunderttausenden Klägern einige Zeit gedauert.
Wäre bei der Musterfeststellungsklage eine Nuztungsentschädigung festgelegt worden, hätten die Kunden nicht nur lange auf ihre Entschädigung warten müssen, sie hätten auch wesentlich weniger bekommen. Der Grund dafür: Die Nutzungsentschädigung berechnet sich nach den gefahrenen Kilometern. Bis 2023 wäre daher oft nur noch eine geringe Erstattung herausgekommen.
Darüber hinaus gilt das OLG Braunschweig, an dem die Musterfeststellungsklage verhandelt wird, als eher VW-freundlich. Es hat sich bereits im Vorfeld des Prozesses negativ über die Klage geäußert, beispielsweise weil es Zweifel an der Zulässigkeit von einem entscheidenden Klageziel hatte. Wäre das Musterverfahren verlorengegangen, hätten alle, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, keine Entschädigung bekommen. Andere Gerichte haben in der Vergangenheit regelmäßig zugunsten der Verbraucher entschieden. Für Dieselfahrer, die im Zuständigkeitsbereich eines solchen Gerichts wohnen, hat die individuelle Klage daher bessere Erfolgsaussichten.
Die Musterfeststellungsklage ist mit einem Vergleich zu Ende gegangen. Das VW-Vergleichsangebot liegt dabei nicht nur teilweise unter den vor Gericht durchgesetzten Entschädigungen. Es gilt auch nur für einen Teil der Beteiligten. Betroffene, für die das VW-Vergleichsangebot nicht gilt, gehen daher leer aus, wenn sie nicht doch individuell klagen. Für sie war die VW-Musterfeststellungsklage reine Zeitverschwendung.
Wie kann man aus der Musterfeststellungsklage aussteigen?
Grundsätzlich ist es nicht möglich, an der Musterfeststellungsklage teilzunehmen und gleichzeitig seine Ansprüche individuell durchzusetzen. Wer sich bereits angemeldet hatte, musste also rechtzeitig wieder aus dem Musterprozess aussteigen, wenn er selbst Klage einreichen wollte.
Von der Musterfeststellungsklage konnte man sich jederzeit wieder abmelden. Das galt solange, bis der Tag der ersten mündlichen Verhandlung abgelaufen war. Bei der VW-Musterfeststellungsklage war das der 30. September 2019. Eine Abmeldung war danach nicht mehr möglich. Durch das Vergleichsangebot hat sich die Situation aber wieder geändert: Betroffene Kunden haben 4 Wochen lang Zeit, um sich für oder gegen den Vergleich zu entscheiden. Entscheiden sie sich gegen das Vergleichsangebot, scheiden sie aus der Musterfeststellungsklage aus und haben dann 6 Monate Zeit, eine Einzelklage einzureichen. Dasselbe gilt für Kunden, für die es kein Vergleichsangebot von VW gibt.
Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung. Nach seinem Ausscheiden bei RECHTECHECK wechselte Robert zur Nürnberger Werbeagentur BESONDERS SEIN.
Markus Klamert ist Inhaber der Kanzlei Klamert & Partner aus München. Als Anwalt ist er Spezialist für Wirtschaftsrecht, Kapitalanlagerecht und Stiftungsrecht. Zusammen mit Rechtecheck hat er bereits tausenden Verbrauchern im Dieselskandal und beim Autokredit-Widerruf geholfen.