Suche

Deutschlands Anwaltsportal mit über 90.000 Einträgen


Services

Magazin

Was ist Schrittgeschwindigkeit und wo gilt sie?

Schrittgeschwindigkeit gilt u.a. im verkehrsberuhigten Bereich. Die Frage ist aber: Wie schnell ist Schrittgeschwindigkeit genau?
17. November 2021

Zusammenfassung

  • Die Schrittgeschwindigkeit ist nicht einheitlich festgelegt. Als Faustformel gilt: Erster Gang, kein Gas.
  • Schon bei weniger als 40 km/h kann man ein Fahrverbot bekommen.

Schrittgeschwindigkeit ist im Verkehrsrecht eine langsame Geschwindigkeit, die dem Tempo eines Fußgängers entspricht. Sie gilt unter anderem in verkehrsberuhigten Bereichen. Dabei stellen sich allerdings verschiedene Fragen, die wir hier zu klären versuchen:

Wie schnell ist eigentlich Schrittgeschwindigkeit?

Das Problem an der Schrittgeschwindigkeit ist, dass der Gesetzgeber sie nicht explizit geregelt hat. Daher bleibt es der Polizei bzw. der kommunalen Verkehrsüberwachung – und anschließend den Gerichten – überlassen, wie schnell genau „Schrittgeschwindigkeit“ ist. Dabei gilt grundsätzlich: Schrittgeschwindigkeit ist so schnell, wie ein Fußgänger läuft.

Einige Gerichte gehen dabei von gemütlichem Spazieren aus, andere eher von Joggen. Daher gibt es u.a. Urteile, nach denen die Schrittgeschwindigkeit bei 4, 5, 6, 7, 10, 15 km/h oder „deutlich weniger als 20 Kilometer pro Stunde“ liegt. Und damit ergibt sich gleich ein weiteres Problem: Viele Tachos schlagen bei weniger als 10 km/h gar nicht aus.

Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte sich daher an die alte Fahrschulregel halten: Schrittgeschwindigkeit bedeutet danach „erster Gang, kein Gas“. Damit fühlt sich Schrittgeschwindigkeit zwar fast so an als würde man stehen, dafür vermeidet man aber die teils empfindlichen Strafen.

Wo muss ich Schrittgeschwindigkeit fahren?

Schrittgeschwindigkeit gilt insbesondere in verkehrsberuhigten Bereichen. Im Volksmund werden diese auch „Spielstraßen“ genannt.

Fußgängerzonen und -wege dürfen Autos, Motorräder und Fahrradfahrer eigentlich gar nicht befahren – es sei denn, ein Zusatzschild erlaubt es ihnen. Beispiele für solche Schilder sind „Lieferverkehr frei“, „Zufahrt Anwesen … frei“ oder „Fahrräder frei“ (wobei statt dem Wort „Fahrräder“ i.d.R. ein Fahrrad-Symbol steht). In diesem Fall müssen die Fahrer, denen die Zufahrt gestattet ist, sich so verhalten wie in einem Verkehrsberuhigten Bereich. Und das bedeutet auch, dass sie nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.

Beim Ein- und Aussteigen an Bus- und Straßenbahn-Haltestellen kann es leicht zu Unfällen mit vorbeifahrenden Fahrzeugen kommen. Daher gilt Schrittgeschwindigkeit an Haltestellen in folgenden Situationen:

  • Wenn ein Schulbus oder Linienbus mit eingeschaltetem Warnblinklicht an einer Haltestelle steht, darf man in beiden Richtungen (!) nur mit Schrittgeschwindigkeit vorbeifahren.
  • Manche Straßenbahnen-Haltestellen befinden sich in der Mitte der Fahrbahn. Andere Fahrzeuge können daher nur rechts vorbeifahren, wenn sie überholen wollen. Auch in diesem Fall gilt Schrittgeschwindigkeit.

Gilt Schrittgeschwindigkeit auch für Fahrradfahrer?

Grundsätzlich gelten für Fahrradfahrer dieselben Regeln wie bei anderen Fahrzeugen. Das bedeutet: Wenn Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben ist, müssen sich auch Fahrradfahrer daran halten. Tun sie es nicht, droht sportlichen Fahrradfahrern im Zweifelsfall sogar ein Führerscheinentzug.

Vereinzelt haben Richter Fahrradfahrern auch eine etwas höhere Geschwindigkeit durchgehen lassen, obwohl für sie Schrittgeschwindigkeit galt (Amtsgericht Leipzig, Az. 215 OWi 500 Js 83213/04). Der Grund dafür ist, dass Fahrräder bei sehr niedriger Geschwindigkeit nicht stabil sind und daher die Unfallgefahr steigt.

Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte aber lieber absteigen und schieben, wenn Schrittgeschwindigkeit gilt.

Strafen für zu schnelles Fahren bei Schrittgeschwindigkeit: Geblitzt

Für zu schnelles Fahren in Bereichen, in denen Schrittgeschwindigkeit gilt, gibt es eine Strafe von 15 €. Das gilt allerdings nur, wenn nicht ohnehin eine Strafe wegen Geschwindigkeitsübertretung anfällt. Diese sind gestaffelt und richten sich danach, um wie viel die zulässige Geschwindigkeit überschritten wurde. Da die Schrittgeschwindigkeit wie oben erläutert selbst nicht konkret und einheitlich festgelegt ist, geben wir hier nur ein paar Eckpunkte für das Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung an:

  • Schon bei weniger als 10 km/h zu viel kann es erste Bußgelder geben.
  • Einen Punkt in Flensburg gibt es, wenn man 21 km/h zu schnell war.
  • Ab einer Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h droht ein Fahrverbot.

Die Strafen beziehen sich auf Geschwindigkeitsübertretungen innerorts. Außerorts dürfte eher selten Schrittgeschwindigkeit gelten. Es gibt außerdem weitere Zwischenschritte bei den Strafen.

Je nach Auslegung des Begriffs „Schrittgeschwindigkeit“ kann man daher schon mit weniger als 40 km/h seinen Führerschein zeitweise verlieren, wenn man geblitzt wird. Und bei weniger als 30 km/h kann man Punkte in Flensburg kassieren.

Wichtig ist, dass viele Bußgeldbescheide angreifbar sind. Dafür kommen zum einen die gleichen Ansatzpunkte infrage wie bei anderen Geschwindigkeitsüberschreitungen auch, also z.B. mangelhafte Angaben im Bescheid oder Fehler bei der Einstellung der Messgeräte. Zum anderen kann auch von der Behörde (z.B. Polizei, kommunale Verkehrsüberwachung) ein zu niedriger Wert für die Schrittgeschwindigkeit angesetzt worden sein.

Übrigens: Überhöhte Geschwindigkeit kann auch dazu führen, dass man bei einem Verkehrsunfall die (Teil-)Schuld bekommt. Und im Vergleich zum Schadensersatz und Schmerzensgeld bei einem Unfall sind die Bußgelder eher ein kleines Problem.

Weitere Bußgelder gibt es in verkehrsberuhigten Bereichen, wenn man Fußgänger behindert (15 €) oder gefährdet (60 €).

Autor

Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung. Nach seinem Ausscheiden bei RECHTECHECK wechselte Robert zur Nürnberger Werbeagentur BESONDERS SEIN.

Das könnte Sie auch interessieren: