Viele Besitzer der vom VW-Skandal betroffenen Fahrzeuge fragen sich, ob sie das Software-Update verweigern oder Ihr Auto in die Werkstatt bringen sollen. Dasselbe gilt auch für die Rückrufe bei Audi, Mercedes, Opel und anderen Herstellern. Schließlich gibt es deutliche Hinweise darauf, dass durch das Update Probleme auftreten, beispielsweise erhöhter Verbrauch oder Defekte am Abgasrückführungsventil. Wir erklären die Hintergründe des Updates der Motorsteuerungs-Software:
- Warum das Update eigentlich eilig ist.
- Warum man nicht umrüsten sollte.
- Wie man sich ggf. gegen die Stilllegung wehrt.
- Was es mit der freiwilligen Servicemaßnahme auf sich hat.
In unseren News haben wir auch die wichtigsten Rückrufaktionen im Abgasskandal zusammengefasst.
Vorsicht ist übrigens auch geboten, wenn das Fahrzeug aus einem anderen Grund in die Werkstatt muss. Teilweise wird dann ohne Rückfrage einfach das Update aufgespielt. Daher sollte man grundsätzlich darauf hinweisen, dass das Update nicht gemacht werden soll, wenn das Auto für die Inspektion, eine Reparatur oder eine andere Rückrufaktion in die Werkstatt muss.
Die hier beschriebenen kostenlose Software-Update werden teilweise begleitet durch kleinere Hardware-Nachrüstungen. Den nachträglichen Einbau von SCR-Katalysatoren behandelt RECHTECHECK dagegen in einem Beitrag zur Diesel-Nachrüstung.
Warum die Umrüstung der Schummel-Diesel eigentlich eilt
Im Zuge des Abgasskandals hat sich herausgestellt, dass scheinbar umweltfreundliche Diesel-Modelle von VW, Audi, Porsche, Seat und Skoda im Normalbetrieb zu viel Stickoxide ausstoßen. Lediglich auf dem Teststand wurde der Motor so geregelt, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten wurden. Auch bei anderen Herstellern wie Mercedes oder Fiat wurden entsprechende Abschalteinrichtungen entdeckt.
Das Problem dabei: Im Rahmen der Hauptuntersuchung steht auch der Abgasausstoß auf der Checkliste und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte ist Voraussetzung für die Erteilung der Plakette. Ein nicht nachgerüstetes Fahrzeug mit aktiver Schummel-Software würde zwar einen Test auf dem Prüfstand bestehen (den es bei der AU gar nicht mehr gibt), der Prüfingenieur kann aber überprüfen, ob das Fahrzeug im Rahmen der Rückrufaktion umgerüstet wurde.
Das Risiko aller Besitzer eines entsprechenden Fahrzeugs: Eigentlich dürfte ohne Umrüstung keine neue HU-Plakette mehr erteilt werden. Schließlich stößt ein vom Abgasskandal betroffenes Auto mehr Stickoxide aus als erlaubt ist. EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska forderte für Fahrzeuge ohne Software-Update eine Stilllegung. Für die ersten vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge wurde bereits die Stilllegung angeordnet – auch wenn die HU gar nicht anstand. VW-Kunden könnten dann ihre Autos nicht mehr nutzen.
Nach einem BGH-Urteil im VW-Abgasskandal brauchen sich die Kunden auch keine Sorgen machen, dass sie durch das Update ihre Ansprüche verlieren: Die Richter argumentierten, dass bereits der Kauf ein „ungewollter Vertragsabschluss“ war (Az. VI ZR 367/19, vom 30.7.2020).
Bei freiwilligen Servicemaßnahmen droht dagegen keine Stilllegung.
Warum man das Software-Update verweigern sollte
Deutsche Umwelthilfe und ADAC haben bei vom Abgasskandal betroffenen VW-Modellen nach dem Update nachgemessen. Dabei zeigte sich, dass durch das Update die Stickoxidwerte zwar deutlich gesunken sind, die auf dem Prüfstand zulässigen Grenzwerte werden aber auf der Straße immer noch weit überschritten. Auch eine Studie des Kraftfahrtbundesamts (KBA) bestätigt das. Die Deutsche Umwelthilfe hat deshalb bereits Klage gegen das KBA eingereicht, da sie den Rückruf nicht für ausreichend hält. Am Ende könnte ein Widerruf der Typzulassung für betroffene VW-Modelle stehen.
Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Fahrzeuge nach dem Software-Update neue Mängel aufweisen. Viele Kunden berichten z.B. von gesunkener Leistung, Mehrverbrauch, Schäden oder Geräuschen. Will der VW-Kunde aufgrund dieser neuen Mängel Schadensersatz verlangen, muss er aber erst beweisen, dass sie auf die Rückrufaktion zurückzuführen sind. Der Beweis dafür dürfte aber wesentlich schwerer zu führen sein als für das Vorhandensein der Schummelsoftware. Die zwischen VW und der EU-Kommission ausgehandelte „vertrauensbildende Maßnahme“ ist aber keine echte Garantie und bietet VW viele Schlupflöcher. Sie bezieht sich außerdem nur auf Bauteile, die beim Rückruf ein- oder umgebaut werden. Probleme können aber auch an ganz anderen Bauteilen auftreten. Hinzu kommt, dass auch nach dem Software-Update wohl noch unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden sind. Es gibt inzwischen erste Urteile, nach denen VW lediglich eine Prüfstandserkennung gegen ein unzulässig kleines Thermofenster ausgetauscht hat. Und: Im September 2020 wurde bekannt, dass VW Fahrzeuge erneut zurückrufen muss, weil das erste Software-Update die Stickstoff-Ausstöße nicht ausreichend reduziert hat. Der KBA-Rückruf bezog sich dabei auf einen Eos.
Eine besondere Gefahr stellen die freiwilligen Servicemaßnahmen dar: Verbraucherschützer haben den Verdacht, dass die Hersteller bei diesen Software-Updates unzulässige Abschalteinrichtungen entfernen, die bisher nicht bekannt waren. Fordert der Hersteller dann im Rahmen einer Diesel-Klage ein Gutachten, werden keine Abschalteinrichtungen mehr gefunden.
Stilllegung vermeiden ohne Software-Update
Am ehesten lässt sich die Stilllegung umgehen, indem man das betroffene Fahrzeug möglichst schnell los wird. Ein Verkauf ist dabei nicht unbedingt die erste Wahl, da man den Käufer dann über die Abschalteinrichtung informieren muss. Stattdessen kann man den Hersteller wegen „sittenwidriger Schädigung“ verklagen und eine Rückabwicklung des Kaufs fordern. Hat man noch Gewährleistung, kann man in vielen Fällen auch vom Händler ein sauberes Nachfolgemodell einklagen.
Spätestens wenn die Kfz-Zulassungsstelle (entsprechend den Vorgaben des KBA) die Stilllegung des Fahrzeugs androht oder sogar anordnet, sollte man schnell handeln. In einem Widerspruchsverfahren kann man gegen die Stilllegung vorgehen. Bis zur endgültigen Entscheidung kann man außerdem eine „Einstweilige Anordnung“ beantragen, mit der die Stilllegung ausgesetzt wird. Die Chancen für eine solche Einstweilige Anordnung stehen nicht schlecht. Schließlich dürfte das Interesse des Fahrzeughalters an der Nutzung des Fahrzeugs – und dem Erhalt des Ursprungszustandes für eine privatrechtliche Klage gegen den Hersteller – das Interesse von KBA und Zulassungsbehörde an der Stilllegung überwiegen. Das sah auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe so, weshalb ein VW Amarok vorerst ohne Update weiter betrieben werden durfte (Az. 12 K 16702/17). Anders hat dagegen das Verwaltungsgericht München entschieden.
Ein weiterer Ausweg bietet sich ggf. Fahrern an, die ihr Auto finanziert haben. Hier kann es sein, dass man aufgrund eines Formfehlers auch nach Jahren den Autokredit oder das Leasing widerrufen kann – und den Kaufvertrag gleich mit. Besonders, wenn Kunden beim Restwert-Leasing hohe Nachzahlungen leisten sollen, bietet sich diese Option an.
Was es mit der freiwilligen Serviceaktion auf sich hat
Im Zuge des Dieselskandals und angesichts drohender Fahrverbote haben mehrere Fahrzeughersteller zugesagt, das Abgasverhalten ihrer bereits verkauften Fahrzeuge zu verbessern. Auch hierbei sollen v.a. Software-Updates aufgespielt werden, um beispielsweise „Thermofenster“ zu verringern. Diese werden auch bei Modellen angeboten, für die das Kraftfahrtbundesamt (zumindest bisher) keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet hat. Betroffen sind daher neben VW-Konzern, Mercedes und Opel auch weitere Hersteller. Neben „freiwillige Serviceaktion“ finden sich auch Begriffe wie „freiwilliger Rückruf“, „freiwillige Servicemaßnahme“ oder „Aktionscode 23X4“. Folgendes gibt es zu beachten:
Im Gegensatz zu einem vom KBA angeordneten Rückruf ist die freiwillige Servicemaßnahme – der Name sagt es schon – freiwillig. Das gilt nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den Kunden. Hier können die Diesel-Fahrer das Update daher verweigern. Probleme mit TÜV und Zulassung drohen also nicht.
Auch bei der freiwilligen Servicemaßnahme können Nachteile für den Kunden entstehen – auch wenn die Hersteller etwas anderes behaupten. Beispielsweise kann es zu Mehrverbrauch, reduzierter Leistung oder Motorschäden kommen.
Auch wenn das KBA bisher noch keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet hat, heißt das nicht, dass es in Ihrem Fahrzeug keine illegale Abschalteinrichtung gibt. So reichen beispielsweise sogenannte „Thermofenster“ (für die es noch keine angeordneten Rückrufe gab) nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH bereits für die Sachmangelhaftung aus. Eine freiwillige Servicemaßnahme kann sogar ein Indiz dafür sein, dass der Hersteller bei der Zulassung gemogelt hat.
Übrigens: Wenn Sie Ihr Auto finanziert haben, können Sie es in vielen Fällen aufgrund von Formfehlern zurückgeben – mit oder ohne Rückruf.
Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung. Nach seinem Ausscheiden bei RECHTECHECK wechselte Robert zur Nürnberger Werbeagentur BESONDERS SEIN.
Markus Klamert ist Inhaber der Kanzlei Klamert & Partner aus München. Als Anwalt ist er Spezialist für Wirtschaftsrecht, Kapitalanlagerecht und Stiftungsrecht. Zusammen mit Rechtecheck hat er bereits tausenden Verbrauchern im Dieselskandal und beim Autokredit-Widerruf geholfen.