Zusammenfassung
- Der BGH hat bestätigt: Im Abgasskandal hat man die Wahl, ob man sein Auto behält oder zurückgibt.
- Ob Rückgabe oder pauschaler Schadensersatz besser ist, hängt vom Einzelfall ab.
Auto zurückgeben oder behalten: Sie haben die Wahl
Bereits seit dem ersten BGH-Urteil im Abgasskandal im Mai 2020 steht fest: Hat ein Autohersteller seine Kunden absichtlich mit illegalen Abschalteinrichtungen betrogen, können die Kunden eine Rückabwicklung des Kaufs fordern. Im Juli 2021 stellte der BGH außerdem klar: Betroffene können auch ohne Rückgabe Schadensersatz bekommen und so ihr Auto behalten.
Bei der Rückabwicklung gibt der betroffene Kunde sein Fahrzeug an den Hersteller zurück. Dafür erhält er „Zug um Zug“ seinen Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung . Die Erstattung hängt nur vom Kaufpreis und den gefahrenen Kilometern ab: Die Nutzungsentschädigung bemisst sich dabei danach, wie viele Kilometer von der zu erwartenden Gesamtlaufleistung man „verbraucht“ hat. Meist wird dabei von einer Lebensdauer von 300.000 km ausgegangen.
Will man das Auto behalten, ist die Berechnung des Schadensersatzes komplexer. Nach zwei BGH-Urteilen (Az. VI ZR 40/20 vom 6.7.2021, VIa ZR 100/21 vom 24.1.2022) müssen dabei folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Die Wertminderung durch die illegale Abschalteinrichtung zum Zeitpunkt des Kaufs.
- Die Wertsteigerung durch das Softwareupdate – immerhin wird das Fahrzeug ja in einen verkehrstüchtigen Zustand gebracht.
- Die Nachteile, die ggf. durch das Update verursacht werden.
- Ob die tatsächliche Nutzung eventuell den Wert bei Kauf übersteigt.
Zu den Nachteilen durch das Update kann neben Mehrverbrauch und schlechteren Fahreigenschaften auch ein erhöhtes Risiko für Motorschäden gehören. Beispielsweise wurde nach den Updates bei VW vermehrt über defekte AGR-Ventile berichtet. Da das Risiko für Folgeschäden bereits in der Entschädigung „eingepreist“ ist, gibt es aber keinen weiteren Schadensersatz, wenn die Defekte tatsächlich eintreten. Wie hoch der Schadensersatz letztendlich ausfallen wird, kann nicht sicher gesagt werden. Vor dem BGH-Urteil wurden den Kunden von Oberlandesgerichten meist ca. 15 % bis 20 % des Kaufpreises zugesprochen.
Vor- und Nachteile von Rückabwicklung und pauschalem Schadensersatz
Ob man im Abgasskandal eine Rückabwicklung fordern oder lieber sein Auto behalten und Schadensersatz kassieren sollte, hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend sind dabei der Zustand des Fahrzeugs und die Präferenzen des Kunden. Welche Option letztendlich die beste ist, sollte man mit einem spezialisierten Anwalt besprechen. Hier aber die wichtigsten Argumente für Rückabwicklung und pauschalen Schadensersatz im Abgasskandal:
- Wenn man das Auto zurückgibt, hängt die Nutzungsentschädigung von den gefahrenen Kilometern ab. Das bedeutet: Je höher der Tachostand, desto weniger bekommt man. Daher lohnt sich die Rückabwicklung vor allem bei Fahrzeugen, die wenig gefahren wurden. Ab einem Tachostand von 300.000 km bekommt man bei der Rückabwicklung gar nichts mehr.
- Bei einer Rückabwicklung wird man mit dem Fahrzeug auch die Risiken für Folgeschäden los und umgeht Diesel-Fahrverbote. Andererseits hängen manche Kunden auch emotional an ihrem Fahrzeug (z.B. bei Wohnmobilen) oder es ist nicht ohne weiteres möglich, ein passendes Ersatzfahrzeug zu bekommen.
- Noch ist unklar, wie hoch der Schadensersatz ausfällt, wenn man das Auto behält. Bisher gingen Gerichte von 15 % bis 20 % des Kaufpreises aus, das war aber vor dem BGH-Urteil. Im Zweifelsfall werden (teure) Gutachten nötig sein. Bei der Rückabwicklung stehen die Eckpunkte dagegen fest.