Suche

Deutschlands Anwaltsportal mit über 90.000 Einträgen


Services

Magazin

Risikomanagement im Krankenhaus

18. März 2019

Deutschland verfügt über ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, welches den Bürgerinnen und Bürgern eine schmerz- und leidensbefreiende Behandlung anbieten soll. Anhand der vielen Versicherten ergeben sich häufig mehr Patienten als die Ärzte in den Krankenhäusern bewältigen können, worunter die Qualität der Behandlung leiden kann. So werden u.a. persönliche Behandlungswünsche der Patienten ignoriert, die Einsicht in ihre Behandlungsdokumentation versagt oder über Fehler in der Behandlung geschwiegen. Bereits unbedeutendere Organisationsfehler können die Mitarbeiter in Zeit- und Leistungsdruck versetzten, die zunächst zu kleineren Fehlern führen und die später zu katastrophalen Ergebnissen führen.

Gemäß Heinrichs Gesetz sind katastrophale Ereignisse aber nicht unvorhersehbar. Aus etlichen kleineren und als unbedeutend deklarierten Arbeitsfehlern, Unsorgfältigkeiten und unzureichend organisierten Arbeitsabläufen treten nicht zufalls- und schicksalsbedingt oder unglücklich, sondern vorhersehbar viele unangenehme Konsequenzen auf. Im Normalfall können die Auswirkungen der Fehler jedoch begrenzt und die Risiken beherrscht werden.

Im Folgenden erklären wir Ihnen, was fehlerhaftes Risikomanagement im Krankenhaus ist, welche Rechte Sie als Patient haben und wie Sie gegen den Schaden, der aufgrund von fehlerhaftem Risikomanagement entstand, vorgehen können.

Was ist fehlerhaftes Risikomanagement im Krankenhaus?

Das Risikomanagement im Krankenhaus verfolgt das Ziel, jegliche Risiken für die Patienten zu minimieren. Diese Risiken können z.B. aufgrund von Organisationsfehlern oder Behandlungsfehlern entstehen. Bestandteile des Risikomanagements sind unter anderem die Etablierung einer Sicherheitskultur, die Erhöhung der Patientensicherheit, die Gewährleistung einer Haftpflichtversicherung für die Mitarbeiter und die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen.

Hierbei spielt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, eine wichtige Rolle. Der G-BA hat eine Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL) erlassen, die für Vertragsärzte und Krankenhäuser verbindlich ist. Damit erfüllt er nach eigenen Angaben seinen Auftrag aus dem Patientenrechtegesetz. Der § 2 der Leitlinie fordert, dass „[durch] die Identifikation relevanter Abläufe, ihre sichere Gestaltung und ihre systematische Darlegung Risiken […] erkannt und Probleme vermieden werden [sollen].“

Das Fehlermanagement und das Risikomanagement sind Bestandteile des Qualitätsmanagements. Ersteres analysiert bereits gemachte Fehler, um zukünftig ebendiese Fehler zu vermeiden. Letzteres ist das Gegenstück dazu: Potenzielle Probleme sollen identifiziert, analysiert und bewertet werden, damit Fehler vermieden werden können. Beide zusammen sollen damit die Qualität der Behandlung erhöhen.

Selbstverständlich sind Ärzte immer bemüht, diesen Richtlinien zu folgen. Dennoch kann auch bei strengster Einhaltung ein gewisses Restrisiko nicht ausgeschlossen werden, sodass dennoch Schäden entstehen können.

Wie kann ich prüfen, ob es sich um fehlerhaftes Risikomanagement handelt?

Patientinnen und Patienten müssen auf Basis des Risikomanagement-Systems umfassend über alles informiert und aufgeklärt werden, was für ihre Behandlung wichtig ist. Darunter fallen sämtliche Umstände der Behandlung wie Diagnose, Folgen, Risiken und mögliche Alternativen zur Behandlung. Die notwendigen Informationen beziehen sich im Übrigen nicht nur auf medizinische, sondern in bestimmten Fällen auch auf wirtschaftliche Aspekte der Behandlung. Bei Zweifeln über die Erstattung von Behandlungskosten durch die Krankenkasse muss der Behandelnde den Patienten schriftlich über die auf ihn zukommenden Kosten informieren. Das gilt erst recht, wenn er weiß, dass der Patient die Kosten selbst tragen muss.

Die größten Risiken während der Behandlung im Krankenhaus bestehen hauptsächlich in folgenden Bereichen:

Als Patientin oder Patient haben Sie immer einen Anspruch auf eine sorgfältige und qualifizierte Behandlung. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind mit Ihnen abzustimmen. Bei Behandlung, Pflege, Rehabilitation und Prävention ist auf Ihre Würde und Integrität als Patientin oder Patient zu achten sowie Ihr Selbstbestimmungsrecht und Ihr Recht auf Privatsphäre zu respektieren. Das Krankenhaus ist verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die darauf abzielen, dass Patienten nicht durch andere Patienten, Personal oder Besucher zu Schaden kommen.

Die falsche Medikamentengabe

Ein sehr hohes Risiko besteht bei der Medikamentengabe. Die Folgen können tödlichen sein. Studien haben ergeben, dass zwischen fünf und zehn Prozent aller Patienten im Krankenhaus ein falsches Medikament erhalten.

Die Hauptursachen für die falsche Medikamentengabe sind Zeitmangel, Ungenauigkeiten, althergebrachte und zum Teil überholte Abläufe. Das Klischee der unleserlichen Handschrift von Ärzten spielt hierbei eine große Rolle: Verordnungen werden handschriftlich – somit meist unleserlich und oft unvollständig – gemacht, was schlussendlich zu Irrtümern führen kann. Dass sich die Medikamentenverpackungen und -namen ähneln, hilft den überstrapazierten Nachtschichtlern, die die Medikamente für die Patienten zusammenstellen, auch nicht besonders.

Generell gilt, dass bei einer Verwechslung der verordneten Pillen das Pflegepersonal belangt werden kann. Bei der falschen Medikamentengabe trägt jedoch der behandelnde Arzt die Schuld.

Außerdem können bei schwerkranken Menschen die Wechselwirkungen der vielen parallel einzunehmenden Medikamente nicht vollständig vorausgesagt werden, was letztendlich aber lebensbedrohlich sein kann. Insbesondere Infusionen zeigen sich als besonders fehleranfällig. Die Irrtümer bei den Mischungsverhältnissen und den Inhaltsstoffen riskieren die Sicherheit der Patienten. Viele Krankenhäuser versuchen daher mithilfe von IT-Systemen diese Fehlerquelle auszumerzen. Doch können sich diese Anschaffung nicht alle Krankenhäuser leisten.

Verwechslung von Patienten

Für einige mag sich das komisch anhören, für andere stellt es die schlimmste erdenkliche Situation dar: Der behandelnde Arzt verwechselt jemanden mit seinem Namensvetter, der zufällig zeitgleich im selben Krankenhaus liegt, und verschreibt ihm das falsche Medikament oder schickt ihn zur falschen Operation. Das Krankenhaus-CIRS-Netz berichtet von einem Fall, bei dem eine Todesbescheinigung auf eine noch lebende Patientin ausgestellt wurde, da ihre Namensvetterin im selben Krankenhaus verstarb.

Patientenverwechslungen sind keine Seltenheit im Krankenhaus. Grund dafür sind mangelnde Sorgfalt der Ärzte bei der Identitätsprüfung, schwerwiegende Organisationsfehler und Koordinationsfehler. Viele Krankenhäuser binden stationären Patienten ein Patientenidentifikationsarmband um, welche persönliche Informationen (Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum) sowie eine individuelle und eindeutige Fallnummer aufgedruckt haben. Zusätzlich werden standardisierte Checklisten bei der Übergabe von Patienten von einem Arzt zum nächsten abgearbeitet, damit Patient, Behandlung und Operation eindeutig übereinstimmen.

Mangelnde Hygiene

Obwohl der Geruch des Desinfektionsmittels stark in Krankenhäusern zu vernehmen ist, ist das Risiko einer bakteriellen Infektion (auch bekannt als Krankenhausinfektionen) für Patient sehr hoch. Schließlich ist es unmöglich, ein Krankenhaus steril zu halten. Nicht einmal im Operationssaal kann Keimfreiheit hundertprozentig garantiert werden. Das heißt aber nicht, dass das Krankenhaus nicht um Keimfreiheit bemüht ist. Sie versuchen ihr bestmögliches, jegliche Keime und Bakterien von den Patienten fernzuhalten. Nur hat jedes Krankenhaus ihre eigenen Hygienestandards.

Lesen Sie in unserem Beitrag zu Organisationsfehlern, wie Sie als Patient bei Fehlern der Hygienestandards von Krankenhäusern rechtlich vorgehen können.

Schlecht ausgebildetes und überlastetes Personal

Gegen Koordinationsfehler im Krankenhaus kann man rechtlich vorgehen
Lange Wartezeiten sind oft das Resultat von Koordinationsfehlern. Um Zeit zu gewinnen wird dann nur oberflächlich behandelt.

Die mangelnde Hygiene, die falsche Medikamentenvergabe oder die Verwechslung von Patienten sind sehr häufig das Resultat von Koordinationsfehlern. Oft sind nicht genug Ärzte oder genug Pflegepersonal im Dienst, um die vielen Patienten ordentlich zu behandeln. So hören sich Ärzte kurz die Beschwerden des Patienten an und lesen, wenn verfügbar, noch schnell in der Krankenakte, und stellen anhand dieser Eckpunkte eine Diagnose. Dies kann bei chronisch Kranken oder Allergie-Patienten fatale Konsequenzen haben.

Wie kann ich rechtlich gegen das Krankenhaus vorgehen?

Jedes Krankenhaus und jede Arztpraxis verpflichtet sich zum Risikomanagement und zur Fehlervermeidung. Patienten können sich über die jeweiligen Aktivitäten der Krankenhäuser auf diesem Gebiet in den Qualitätsberichten informieren.

Wenn Sie der Meinung sein sollten, dass oben genannte Punkte während Ihrer Behandlung nicht eingehalten wurden, kontaktieren sie einen Anwalt für Medizinrecht. Dieser kann Ihnen sagen, wo sie der behandelnde Arzt bzw. das Krankenhaus einem Risiko ausgesetzt hat.

Ihnen stehen neben einem Anspruch auf eine angemessene Aufklärung und Beratung auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu. Kommt es zu einem Behandlungsfehler, müssen die Kranken- und Pflegekassen ihre Versicherten künftig bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen unterstützen.

Im Schadensfall muss geprüft werden, ob es sich um einen ärztlich verschuldeten Behandlungsfehler oder unzureichende Informations- oder Organisationsabläufe handelt. Dies kann zum Beispiel durch medizinische Gutachten geschehen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird.

Bei Schäden, die durch Arzneimittel oder durch ein Medizinprodukt (zum Beispiel Röntgengeräte oder Prothesen) verursacht wurden, können Sie auch Ansprüche gegen das Pharmaunternehmen oder den Hersteller geltend machen.

Schlussendlich lässt sich aber festhalten, dass rund 80 % aller unterlaufenen Fehler auf Organisations- und/oder Kommunikationsmängel zurückzuführen sind. Daher sollte bei einem Behandlungsfehler nicht so stark nach einem ‚wer‘, sondern nach einem ‚was‘ gesucht werden. Außerdem sollte man immer möglichst schnell handeln, da auch Ärztepfusch verjährt.

Das könnte Sie auch interessieren: