Kündigung erhalten? Keine Panik. Zum einen ist eine Kündigung nichts, für dass Sie sich schämen müssten – sie kann jeden treffen, unabhängig von den Leistungen im Job. Zum anderen gibt es eine reelle Chance, dass Ihre Kündigung unwirksam ist: Bis zu 12 Prozent aller Kündigungen in Deutschland sind laut einer Studie offensichtlich fehlerhaft, bei vielen weiteren kommt es zu weniger auffälligen Fehlern.
Trifft das auch auf Ihre Kündigung zu, haben Sie hervorragende Chancen, im Zuge einer Kündigungsschutzklage eine Weiterbeschäftigung oder eine faire Abfindung inklusive Freistellung auszuhandeln. Das bedeutet einen entspannteren Blick in die Zukunft und mehr Zeit und Gelassenheit, um sich auf die Jobsuche zu fokussieren. Damit Sie besser einschätzen können, ob eine Kündigungsschutzklage gegen Ihren Ex-Arbeitgeber Erfolg verspricht, haben wir Ihnen in diesem Artikel einige der wichtigsten Fehler bei Kündigungen durch den Arbeitgeber aufgelistet.
1. Der Sonderkündigungsschutz wurde nicht beachtet
Jeder, der länger als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt ist, wird über das Kündigungsschutzgesetz vor unrechtmäßigen oder leichtfertigen Kündigungen geschützt. Sonderkündigungsschutz geht jedoch noch eine Stufe weiter und verlangt teils sogar die Zustimmung seitens einer Behörde, damit ein Arbeitnehmer entlassen werden kann. Dieser besondere Schutz gilt zum Beispiel für Frauen im Mutterschutz, Betriebsratsmitglieder, Väter und Mütter in Elternzeit oder Schwerbehinderte.
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Bis zu sieben Prozent aller Kündigungen sind rechtlich unwirksam, weil sie ohne Rücksicht auf den Sonderkündigungsschutz ausgesprochen wurden.
2. Die Sozialauswahl wurde falsch oder gar nicht durchgeführt
Bei einer betriebsbedingten Kündigung kommt es häufig zu Fehlern. Oft lässt die gar nicht mal so schlechte wirtschaftliche Lage diese Art der Kündigung gar nicht zu oder der zu kündigende Arbeitnehmer könnte anderweitig eingesetzt werden. Selbst wenn das alles kein Thema ist, steht vor der tatsächlichen Kündigung die Sozialauswahl. Wann immer nicht alle Mitarbeiter einer bestimmten Gruppe das Unternehmen verlassen müssen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Mitarbeiter zu bestimmen, die eine Kündigung am härtesten treffen würde. Dies erfolgt über ein Punktesystem in der Sozialauswahl. Ist diese fehlerhaft oder wird sie gar nicht durchgeführt, ist eine betriebsbedingte Kündigung immer unwirksam.
3. Verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung
Eine verhaltensbedingte Kündigung wird oft als fristlose Kündigung verstanden – schließlich denken die meisten Menschen dabei sofort an Diebstahl oder einen tätlichen Angriff. Meist ist Fehlverhalten im Job aber weit davon entfernt, eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ein Beispiel wäre etwa Alkoholkonsum am Arbeitsplatz: Wenn eine Gruppe Kolleginnen zum Mittagessen mit einem Sekt anstößt, ist das noch lange kein Grund, sie fristlos zu entlassen – selbst wenn Alkohol am Arbeitsplatz ausdrücklich verboten wurde.
In diesem Fall muss daher vor einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung stehen. Erst, wenn das Fehlverhalten wiederholt wurde, ist eine solche Kündigung zu rechtfertigen. Dabei gibt es zusätzliche Fallstricke: Die Abmahnung selbst muss erstens wirksam sein – allein das ist oft strittig – und zweitens einschlägig. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann sich für eine verhaltensbedingte Kündigung zu Fehlverhalten A nicht auf eine Abmahnung zu Fehlverhalten B berufen.
4. Krankheitsbedingte Kündigung ohne negative Prognose oder betriebliches Eingliederungsmanagement
Ist ein Mitarbeiter oft oder langfristig krank, kann es zu einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit kommen. Diese Möglichkeit hat der Arbeitgeber grundsätzlich, wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen im Jahr krankheitsbedingt ausfällt, allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen:
- Die Gesundheitsprognose muss negativ sein, sprich man kann davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auf absehbare Zeit nicht oder nur sehr wenig einsatzfähig ist.
- Die erwarteten Fehlzeiten führen zu einer erheblichen wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigung des Unternehmens.
- Es muss eine Interessenabwägung erfolgen, aus der sich ergibt, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht mehr weiter zugemutet werden kann.
In der Praxis scheitert diese Art der Kündigung oft entweder an der negativen Gesundheitsprognose oder an einem fehlenden betrieblichem Eingliederungsmanagement. Hat sich Ihr Arbeitgeber nach sechs Woche Krankheit nicht mit Ihnen hingesetzt, um die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag zu besprechen, gilt die krankheitsbedingte Kündigung praktisch immer als unwirksam.
5. Die Schriftform wurde nicht eingehalten
Wer einen Arbeitnehmer entlassen möchte, muss dies schriftlich tun und auf Papier. Eine rein mündliche Kündigung, eine E-Mail oder gar eine kurze Whatsapp sind hier nicht bindend. Nur wenn ein schriftliches Dokument mit der Kündigung nachweislich übergeben wurde, gilt die Kündigung als zugestellt und damit wirksam.
Auch ein eingescanntes Dokument, das per E-Mail versendet wurde, zählt hier nicht. Zwar existiert dann eine schriftliche Kündigung, sie wurde dem Empfänger jedoch nicht schriftlich zugestellt.
6. Die Kündigung wurde nicht von einem Bevollmächtigten unterschrieben
Es kommt öfter vor, als man denkt, wird in der Praxis aber so gut wie nie von einem betroffenen Arbeitnehmer bemerkt: Ihnen wurde gekündigt, aber ihr Vorgesetzter ist dazu überhaupt nicht befugt. Regelmäßig werden nur Geschäftsführer, Prokuristen und Personalleiter von den Gerichten automatisch als bevollmächtigt zur Kündigung anerkannt. Alle anderen, auch Abteilungs- oder Betriebsleiter müssen eine Vollmacht vorlegen, wenn sie die Kündigung alleine unterzeichnen. Diese Vollmacht muss der schriftlichen Kündigung im Original beiliegen, um wirksam zu sein.
Ohne diese Vollmacht oder die Unterschrift eines Bevollmächtigten können Sie die Kündigung als unwirksam nach §174 BGB zurückweisen, um sich Zeit zu verschaffen. Gegebenenfalls können sie sogar eine fristlose Kündigung komplett aushebeln, die innerhalb von zwei Wochen nach dem Anlass wirksam sein muss.
7. Die Unterschrift fehlt ganz
Fehlt eine Unterschrift unter der Kündigung ganz, gilt damit die Schriftform als nicht eingehalten. Der Effekt ist derselbe, als hätte der Arbeitgeber Ihnen per E-Mail gekündigt.
Das geht so weit, dass es bereits Gerichtsurteile gibt, die eine vollkommen unleserliche Unterschrift nicht als solche anerkannten, wenn das “Gebilde” keinen Bezug zu einem Namen aufweist. Sollte die Unterschrift also nur eine pittoreske Hügellandschaft darstellen, haben Sie eine kleine, aber existierende Chance, dass das nicht als Unterschrift zählt
8. Fristen wurden nicht eingehalten
Eine falsch berechnete Kündigungsfrist sorgt nicht nur dafür, dass Sie eventuell früher aus Ihrem alten Job ausscheiden als Sie müssten. Im Nachgang kann das auch zu Problemen mit der Agentur für Arbeit führen, die meist mit Ruhezeiten reagiert, wenn Sie Ihren Job “leichtfertig” früher aufgeben. Entsprechend ist es nicht die schlechteste Idee, in diesem Fall eine Kündigungsschutzklage anzustreben – zumindest, wenn Ihr Arbeitgeber nicht in der Kündigung vorsieht, hilfsweise mit korrekter Frist zu kündigen.
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Eine fristlose Kündigung dagegen kann paradoxerweise durch eine Fristüberziehung komplett unwirksam werden. Sobald Ihr Arbeitgeber von den Umständen Kenntnis hat, die ihn zur fristlosen Kündigung veranlassen, muss sie Ihnen innerhalb von zwei Wochen zugehen. Eine zu spät ausgesprochene fristlose Kündigung ist immer unwirksam.
9. Der Betriebsrat wurde nicht informiert und nicht angehört
Wer einen Betriebsrat im Unternehmen hat, muss diesen informieren und anhören, bevor er Arbeitnehmer entlässt. Zwar kann der Arbeitgeber einen Mitarbeiter selbst dann noch kündigen, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, das wirkt sich jedoch auf eine eventuelle nachgestellte Kündigungsschutzklage aus. Beispielsweise muss der Arbeitgeber laut § 102 BetrVG bei einem Widerspruch des Betriebsrats den gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ende des Prozesses weiterbeschäftigen.
Wird der Betriebsrat gar nicht informiert oder hat keine ausreichende Zeit zu einer Stellungnahme, gilt die Kündigung regelmäßig als unwirksam.
10. Eine Massenentlassung wurde nicht bei der Agentur für Arbeit angezeigt
Laut § 17 KSchG müssen Massenentlassungen rechtzeitig der Agentur für Arbeit angezeigt werden. So mancher Arbeitgeber hat davon zwar schon gehört, macht sich aber nicht bewusst, ab wann eine Kündigungswelle tatsächlich als Massenentlassung gilt.
- Bei 21 bis 59 Beschäftigten: ab 6 geplanten Entlassungen
- Bei 60 bis 499 Beschäftigten: ab 10 Prozent der Mitarbeiter, jedoch spätestens ab 26 Entlassungen
- Ab 500 Beschäftigten: ab 30 geplanten Entlassungen
Gerade der Bereich von 60 bis 499 Mitarbeitern kann größere Mittelständler schnell betreffen. Verpasst ein Unternehmen mit 120 Mitarbeitern die Anzeige bei der Agentur für Arbeit, wenn es eine Abteilung mit 12 Arbeitnehmern schließt, gelten diese Kündigungen als unwirksam. Außerdem muss die Ankündigung bei der korrekten Agentur für Arbeit eingehen, um wirksam zu sein. Klingt banal, wurde aber selbst großen Unternehmen schon zum Verhängnis.
Als Copywriter und Redakteur verarbeitet er seit mehr als einem Jahrzehnt komplexe Sachthemen in verständliche und auf den Leser maßgeschneiderte Inhalte. Bei Rechtecheck zeichnet er vor allem für den Bereich Arbeitsrecht und Kündigung verantwortlich.