Zusammenfassung
- Die Kosten für einen Patientenanwalt und eine Behandlungsfehler-Klage können hoch sein.
- Kostenlose Erstberatung kann letztlich nur oberflächlich sein.
- Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten für einen Anwalt für Medizinrecht in der Regel.
- In manchen Fällen springt auch eine Prozessfinanzierung ein.
Wer das Opfer eines Behandlungsfehlers geworden ist, erwartet dafür zurecht eine Entschädigung. Allerdings ist Schadensersatz nicht einfach durchzusetzen. Auch können Schmerzensgeld-Tabellen im Internet bestenfalls eine grobe Idee davon vermitteln, wie viel Entschädigung man fordern kann. Besser ist es daher, sich an einen erfahrenen Anwalt für Medizinrecht zu wenden. Dieser kann eher abschätzen, wie die Chancen stehen und wie viel man verlangen kann. Außerdem kann er mit der Gegenseite (Arzt, Krankenhaus bzw. Haftpflichtversicherung) eher auf Augenhöhe verhandeln und die Ansprüche auch gerichtlich durchsetzen. Leider haben viele Betroffene Angst vor den Kosten. Daher erklärt RECHTECHECK hier:
- Was ein kostenloses Erstgespräch leisten kann – und was nicht.
- Was eine – bezahlte – Erstberatung bringt.
- Wie viel eine fundierte Einschätzung durch einen Patientenanwalt kostet.
- Welche Kosten die Durchsetzung von Schadensersatz verursacht.
- Was die Rechtsschutzversicherung im Arzthaftungsrecht bezahlt.
- Wie Prozessfinanzierung im Medizinrecht helfen kann.
„Kostenloses Erstgespräch“ von einem Anwalt für Medizinrecht
Häufig bieten auch Patientenanwälte „kostenlose Erstgespräche“ an. Diese dauern dann meist nur einige Minuten. Grundsätzlich ist so etwas auch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) möglich. Allerdings sollte man sich von einem solchen Gespräch nicht allzu viel erwarten. In der Kürze der Zeit kann sich der Anwalt in einem komplexen Themenbereich wie dem Medizinrecht kaum wirklich mit dem Fall auseinandersetzen, geschweige denn fundierte Aussagen treffen. Solche Gespräche drehen sich daher meist eher um das weitere Vorgehen und die Kosten, die auf den Mandanten zukommen.
Hier zeigt sich mal wieder eine der Grundweisheiten des Internets: Wenn es Dich nichts kostet, bist Du das Produkt! Ein solches Erstgespräch ist letztlich eine Verkaufsveranstaltung. Wer dies wünscht, kann das auch über RECHTECHECK bekommen:
„Kostenpflichtige Erstberatung“ von einem Anwalt für Medizinrecht
Für eine Erstberatung dürfen Anwälte maximal 190 € plus Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. In diesem Fall darf man allerdings auch mehr vom Anwalt erwarten: In der Regel nimmt sich der Anwalt 30 bis 60 Minuten Zeit, um sich den Fall anzuhören und wenn möglich die Fragen des Mandanten zu beantworten. Für solche Aussagen haftet der Anwalt grundsätzlich auch – immerhin wurde er ja auch bezahlt. Daher und weil es im Medizinrecht oft auf Details ankommt, können auch bei einer derartigen Erstberatung meist nur grobe Aussagen gemacht werden, wobei der Anwalt aber meist noch betonen wird, dass sie unsicher und vorläufig sind. Wichtige Fragen, für die der Patientenanwalt hier oft bereits tendenzielle Aussagen treffen kann, sind:
- Kommt überhaupt ein Behandlungsfehler infrage und wer sind potentielle Anspruchsgegner?
- Ist der Behandlungsfehler verjährt?
- Lohnt sich ein juristisches Vorgehen angesichts der voraussichtlichen Größenordnung des Schadensersatzes überhaupt?
Aufgrund der komplexen Materie können im Rahmen einer solchen Erstberatung aber meist keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Auch eine kostenpflichtige Erstberatung kann daher insbesondere folgendes nicht leisten:
- Abschließende Beurteilung der Schuldfrage und der Erfolgsaussichten. Hierzu ist das eingehende Studium (und ggf. die Einholung) von Gutachten und Patientenunterlagen nötig, was teilweise mehrere Tage an Arbeitsaufwand nötig macht.
- Berechnung einer konkreten Schadensersatzsumme. Diese ist von den Einschränkungen des Patienten und seinen Lebensumständen abhängig. Daher ist auch hier die Berechnung meist sehr zeitaufwändig.
Die gute Nachricht: Viele Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten für eine solche Erstberatung auch ohne Selbstbeteiligung. Die Selbstbeteiligung wird dann nur fällig, wenn ein Anwalt anschließend mit der Durchsetzung mandatiert wird.
Fundierte Einschätzung Ihres Falls durch einen Patientenanwalt
Wer wirklich Klarheit haben und die Durchsetzung seines Schadensersatzes für Ärztepfusch gut vorbereiten will, muss tiefer in die Tasche greifen. Das Einholen und die eingehende Analyse von Unterlagen, sonstigen Informationen und Gutachten kann mehrere Arbeitstage in Anspruch nehmen. Diesen Aufwand lassen sich Anwälte oft stundenweise vergüten, teilweise werden auch Pauschalen angeboten. Oft liegen die Kosten hierfür im Bereich von 800 bis 2.000 €, in besonders einfachen bzw. komplexen Fällen auch darunter oder darüber.
Auch für solche Kosten muss die Rechtsschutzversicherung in der Regel einstehen, allerdings wird hier ggf. die Selbstbeteiligung abgezogen. Mandatiert man im Anschluss den Anwalt mit der gerichtlichen oder außergerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche, werden die hier entstandenen Kosten außerdem auf die dafür anfallenden Honorare angerechnet – immerhin dient die fundierte Einschätzung der Vorbereitung der Durchsetzung.
Sofern der Patient keine Rechtsschutzversicherung hat, kann eine solche fundierte Einschätzung auch für die Beantragung einer Prozessfinanzierung dienen (siehe unten).
Kosten der Durchsetzung von Schadensersatz bei Behandlungsfehlern
Grundsätzlich steht es Anwalt und Mandant frei, in welcher Art und Höhe sie das Honorar des Anwalts vereinbaren. Möglich sind beispielsweise Pauschalen oder auch eine Bezahlung pro geleisteter Arbeitsstunde. Allerdings dürfen dabei die im RVG festgelegten Werte nicht unterschritten werden. Haben Anwalt und Mandant keine Honorarvereinbarung getroffen, gelten die im RVG vorgegebenen Honorare. Ein Erfolgshonorar kann in Deutschland in der Regel nicht vereinbart werden.
Im Zivilrecht (und damit im Arzthaftungsrecht) hängen die Honorare vom Gegenstandswert (Streitwert) und von der Art der Tätigkeit ab. Dabei ergibt sich aus dem Gegenstandswert die sogenannte Wertgebühr. Diese liegt beispielsweise bei einem Streitwert von 110.000 € bei 1.655 €, bei einem Streitwert von 500.000 € erhöht sie sich auf 3.539 €. Das Minimum liegt bei 49 € für Streitwerte unter 500 €.
Aus der Art der Tätigkeit ergibt sich die sogenannte Satzgebühr, die je nach Tätigkeit verschiedene Namen hat. Die Satzgebühr ist ein Faktor, der mit der Wertgebühr multipliziert wird, um das Honorar zu berechnen. Dabei können für einen Fall auch mehrere Satzgebühren anfallen. Wie hoch diese sind, wird unten dargestellt.
Zum eigentlichen Honorar kommen noch Auslagen hinzu, insbesondere eine Auslagenpauschale (für Porto, Papier, Telefongebühren etc.) von maximal 20 € und ggf. Reisekosten. Außerdem fällt noch Mehrwertsteuer an.
Außergerichtliches Vorgehen bei Ärztepfusch
Wird der Anwalt außergerichtlich für den Mandanten tätig, fällt eine „Geschäftsgebühr“ an. Diese Satzgebühr kann zwischen 0,5 und 2,5 liegen. Das Honorar kann also zwischen der Hälfte und dem Zweieinhalbfachen der Wertgebühr liegen. Allerdings darf der Anwalt die Mittelgebühr von 1,3 nur in begründeten Ausnahmefällen überschreiten. Im hochkomplexen Medizinrecht kann das aber durchaus vorkommen.
Ist die Arbeit des Anwalts bereits mit einem einfachen Schreiben erledigt, fällt nur eine Satzgebühr von 0,3 an. Im Medizinrecht ist das eher die Ausnahme. Tritt der Anwalt in Verhandlungen mit der Gegenseite und ist dabei erfolgreich, wird eine Einigungsgebühr von 1,5 fällig.
Haben die außergerichtlichen Bemühungen des Anwalts keinen Erfolg, darf er nur die Hälfte der jeweiligen Satzgebühren geltend machen, maximal 0,75.
Klage-Kosten im Arzthaftungsrecht
Kommt es vor dem Amtsgericht oder Landgericht zu einem Gerichtsverfahren, kann der Anwalt dafür eine Verfahrensgebühr von 1,3 abrechnen. Bei Berufung, Revision oder einem Verfahren direkt vor dem Oberlandesgericht (OLG) liegt die Verfahrensgebühr bei 1,6. In manchen Fällen werden solche Prozesse „auf dem Postweg“ entschieden, sodass nur die Verfahrensgebühr anfällt. Kommt es dagegen zu einer mündlichen Verhandlung, sodass der Anwalt tatsächlich vor Gericht erscheinen muss, wird zusätzlich eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 fällig. Diese kann der Anwalt aber nur einmal abrechnen, auch wenn es mehrere Verhandlungstage gibt.
Zu den eigenen Anwaltskosten kommen bei einer Klage auch noch die Gerichtskosten hinzu. Auch diese sind vom Streitwert abhängig. So beträgt die einfache Gebühr bei einem Streitwert von 110.000 € 1.129 €, bei einem Streitwert von 500.000 € sind es dagegen 5.881 €. Der Mindestwert liegt hier bei 38 € für Streitwerte unter 500 €. Diese einfache Gebühr fällt aber nur an, wenn der Prozess in der ersten Instanz ohne ein Urteil endet, z.B. nach einem Vergleich. Wird ein Urteil gefällt, werden 3,0 Gebührensätze fällig, also das Dreifache der einfachen Gebühr. In Berufungsverfahren fallen sogar 2,0 (ohne Urteil) bzw. 4,0 (mit Urteil) Gebührensätze an.
Im Medizinrecht muss derjenige, der den Prozess verliert, die gesamten Kosten tragen. Neben den eigenen Anwaltskosten und den Gerichtskosten umfasst das auch die Anwaltskosten der Gegenseite und ggf. weitere Auslagen, z.B. für Gutachten. Kann sich keine Seite mit ihren Forderungen voll durchsetzen, werden die Kosten anteilig getragen.
Zusätzliche Kosten können entstehen, wenn der Arzt, das Krankenhaus bzw. der Hersteller trotz Urteil nicht zahlt und daher ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet werden muss.
Gutachterkosten
Im Arzthaftungsrecht geht es fast immer um Tatsachen, die Juristen (Anwälte und Richter) selbst nicht beurteilen können. Bei Behandlungsfehlern müssen daher fast immer Gutachten eingeholt werden. Medizinische Gutachten sind allerdings aufwändig und können nur von (teuren) Spezialisten erstellt werde. Kosten von einigen Tausend Euro sind da völlig normal. Das ist besonders ärgerlich, weil solche Gutachten nicht erst im Prozess gebraucht werden, sondern bereits bei der Vorbereitung durch den Patientenanwalt. Idealerweise wenden sich betroffene Patienten erst an einen Anwalt, wenn sie bereits ein Gutachten haben.
Daher ist es gut, dass es solche Gutachten teilweise auch kostenlos gibt, beispielsweise bei Ärztekammern oder dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Dabei steht der MDK naturgemäß eher auf der Seite der Patienten als die Ärztekammer. Im Prozess wird dann allerdings oft ein weiteres, kostenpflichtiges Gutachten beauftragt.
Zahlt meine Rechtsschutzversicherung bei Behandlungsfehlern?
Das Medizinrecht zählt aus Sicht der Rechtsschutzversicherungen zum „Privatrecht“. Daher sind auch die Kosten für einen Patientenanwalt durch die meisten Rechtsschutzversicherungen abgedeckt. Um Rechtsschutz für einen Behandlungsfehler zu bekommen, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Die Versicherung deckt „Privatrecht“ ab. Das trifft in der Regel zu. Nur wenn es sich um eine Spezialversicherung wie reinen Verkehrsrechtsschutz handelt, sind Behandlungsfehler nicht abgedeckt.
- Es besteht eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. (Das sollte gut begründet sein. Daher lohnt es sich meist, die Deckungszusage zusammen mit einem Anwalt zu beantragen und nicht selbst bei der Rechtsschutzversicherung anzufragen.)
- Die Versicherung bestand zum Zeitpunkt der Fehlbehandlung und die ggf. vereinbarte Wartezeit war bereits abgelaufen. (Manche Versicherungen „übernehmen“ bei einem Neuabschluss aber auch die Vorversicherungs-Zeiträume.)
- Das Opfer des Behandlungsfehlers ist versichert. (Das kann ein Problem sein, wenn z.B. ein Elternteil zwar selbst eine individuelle Rechtsschutzversicherung hat, aber keinen Familienrechtsschutz. Dann wären Ehepartner und Kinder nicht versichert.)
Sofern die Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage erteilt, übernimmt sie (fast) sämtliche Kosten, die mit dem Rechtsstreit in Verbindung stehen, insbesondere:
- Eigene Anwaltskosten für gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeiten inklusive Erstberatung.
- Gerichtskosten.
- Gutachterkosten.
- Bei einer Niederlage: Anwaltskosten der Gegenseite.
Sofern das vereinbart ist, muss der Versicherte allerdings noch den Selbstbehalt zahlen. Wird der Prozess gewonnen, holt sich die Versicherung diese Kosten von der Gegenseite zurück.
Prozessfinanzierung im Medizinrecht
Hat das Opfer eines Behandlungsfehlers keine Rechtsschutzversicherung und scheut das Risiko einer Klage, kann in manchen Fällen ein Prozesskostenfinanzierer einspringen. Dieser übernimmt im Wesentlichen dieselben Kosten wie eine Rechtsschutzversicherung. Als Gegenleistung bekommt er bei einem Sieg einen vorher vereinbarten Anteil an der erstrittenen Entschädigung.
Da ein solches Geschäft für den Prozessfinanzierer ein Risiko bedeutet, übernimmt er nur Fälle, die sich voraussichtlich für ihn auszahlen. Das bedeutet zum einen, dass die Unternehmen meist erst ab einem Mindest-Streitwert von 50.000 € oder mehr aktiv werden. Zum anderen prüfen die Prozessfinanzierer die Fälle sehr genau, bevor sie eine Zusage erteilen. Daher setzen sie meist voraus, dass der Fall bereits von einem Anwalt eingehend geprüft und für sie aufbereitet wurde.
Quelle: RVG, Gerichtskostengesetz