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Wann haftet die gesetzliche Unfallversicherung (nicht)?

28. Mai 2020

Die gesetzliche Unfallversicherung ist die Sozialversicherung, die für Unfälle und Schäden haftet, die bei betrieblichen oder schulischen Tätigkeiten passieren. Diese Pflichtversicherung der Arbeitgeber kommt für Gesundheitsschäden und medizinische Behandlung auf. In diesem Artikel klären wir, welche Personengruppen die gesetzliche Unfallversicherung haben und geben eine Übersicht über die Fälle, in denen die gesetzliche Unfallsversicherung nicht haftet. Außerdem haben wir zusammengefasst, wie der Ablauf der Versicherung ist, wenn Sie einen Arbeitsunfall oder Schaden erlitten haben und welche Leistungen Sie dann von dem gesetzlichen Versicherungsträger bekommen.

Welche Personen haben eine gesetzliche Unfallversicherung?

Es gibt Personengruppen, die gesetzlich versichert sein müssen. Andere Personengruppen müssen erst Voraussetzungen erfüllen, um eine gesetzliche Versicherung zu bekommen. Wiederum gibt es Personen, die sich freiwillig gesetzlich versichern können. Die gesamte Aufzählung der Personengruppen finden Sie, wenn Sie den Links zu der Seite des Bundesministeriums folgen. Personen, die dazugehören, sind beispielsweise:

  • Arbeitnehmer (auch am unbezahlten Probetag)
  • Personen, die im Interesse der Allgemeinheit beschäftigt sind (z.B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen, Lebensretter)
  • Kinder in Kindertageseinrichtungen, Schüler, Studierende, Auszubildene
  • Beschäftigte in der Landwirtschaft
  • häusliche Pflegepersonen
  • bestimmte ehrenamtlich beschäftigte Personen (z.B. Freiwillige Feuerwehr)

Für welche Unfälle haftet die gesetzliche Unfallversicherung?

Die gesetzliche Versicherung haftet nicht nur für Unfälle, die während der Arbeitstätigkeit passieren. Auch Wegunfälle, also Unfälle, die auf dem Weg zur oder von der Arbeit passieren, gehören dazu. Dabei muss der Arbeitsweg nicht unbedingt vom und zum eigenen Wohnort sein. Auch der Weg zu einem sogenannten dritten Ort kann versichert sein. Auf dem Arbeitsweg können auch bestimmt Umwege gemacht werden.

Auch Berufskrankheiten gehören dazu. Das sind Krankheiten, die sich Arbeitnehmer aufgrund der Arbeitstätigkeit zuziehen oder die durch die Tätigkeit verursacht wurden. Dazu gehören insbesondere Schäden aufgrund von Chemikalien, Druck, Lärm oder das Tragen von schweren Lasten. Diese Berufskrankheiten müssen aber medizinisch anerkannt sein und in der Berufskrankheiten-Verordnung gelistet sein. Erkennt die Versicherung Ihre Berufskrankheit an, müssen Sie diese Tätigkeit allerdings aufgeben.

Für Arbeitsunfälle, wie einen Sturz, haftet die gesetzliche Unfallsversicherung.
Die gesetzliche Unfallversicherung haftet auch für Wegunfälle und Berufskrankheiten.

Wann kann die gesetzliche Versicherung die Zahlung verweigern?

Die gesetzliche Unfallversicherung tritt nur ein, wenn sich der gesundheitliche Schaden oder der Unfall auf die betriebliche Arbeit zurückführen lässt oder ein Zusammenhang dazu besteht. Die Tätigkeit darf nicht von privater Natur sein. Ansonsten würde die private Unfallsversicherung haften. Aufgrund dieser Voraussetzungen kommt es immer wieder vor, dass die gesetzliche Versicherung sich weigert zu zahlen. Die folgenden Fälle sind oft kompliziert und führen zu Streitigkeiten mit der Versicherung. Hier sollten Sie sich auf jeden Fall rechtlich beraten lassen.

Keine Haftung für einen zufälligen Arbeitsunfall

Zu einem Arbeitsunfall zählt nicht, wenn die Verletzung oder der Schaden ohne äußeren Einfluss zufällig während der Arbeit auftritt. Hat also beispielsweise ein Arbeitnehmer während der Arbeit am Schreibtisch einen Herzinfarkt, haftet die gesetzliche Arbeitsversicherung nicht.

Verweigerung der Zahlung aufgrund von Vorerkrankungen

Das Sozialgericht hat entschieden, dass die Unfallversicherung nicht haftet, wenn die eigentliche Ursache der Verletzung eine Vorerkrankung war. Die Versicherung fragt dabei bei Ihrer Krankenkassen nach, ob es eine Vorerkrankungen des betroffenen Körperteils gibt, das für Unfallschäden verantwortlich sein könnte.

Betrieblicher Zusammenhang während der Arbeitszeit

Selbst wenn Sie auf der Arbeit sind, kann es sein, dass ein Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird. Die essenzielle Voraussetzung hier ist, dass die Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht von privater Natur war. Außerdem wird darauf geachtet, ob eine betriebliche Gefahr vorliegen könnte.

Für einen Sturz in der Firmentoilette haftet die gesetzliche Unfallversicherung nicht, denn die Toilette zu benutzen ist eine private Angelegenheit und ein solcher Unfall kann auch auf öffentlichen Toiletten oder zu Hause passieren. Der Weg zur und von der Toilette ist wiederum versichert. Genauso ist ein Unfall bei einer Dienstreise nicht versichert, wenn es sich um eine private Tätigkeit, wie Duschen im Hotelzimmer, handelt. Auch für Unfälle während Raucherpausen wird nicht gehaftet.

Einschränkungen der Haftung bei Wegunfällen

Ab dem Zeitpunkt, zu dem Sie das Haus verlassen bis zum Zeitpunkt des Betretens des Firmengebäudes, ist Ihr Arbeitsweg versichert. Dies gilt aber grundsätzlich nur für den unmittelbaren Arbeitsweg. Für manche Umwege wird aber gehaftet. Bei Wegunfälle kommt es oft zu Streitigkeiten mit der Versicherung, da diese stark vom Einzelfall abhängen. Lassen Sie sich in diesem Fall unbedingt von einem Anwalt beraten.

Wenn Sie auf dem Arbeitsweg Ihre Kinder in der Schule oder bei der Kita abliefern und dann in einen Unfall geraten, haftet die gesetzliche Versicherung. Gezahlt wird auch, wenn Sie einen Arbeitskollegen abholen.
Anders sieht es aus, wenn Sie auf dem Arbeitsweg Einkaufen gehen. Das ist eine private Angelegenheit. Auch ein Stopp zum Tanken ist nicht versichert. Selbst wenn Sie gezwungen sind nachzutanken, weil Sie kein Benzin mehr haben.

Auch der Weg zu einem sogenannten dritten Ort kann versichert sein. Dieser dritte Ort muss aber von der Entfernung zum Arbeitsplatz vergleichbar sein und ein regelmäßiger Besuchsort sein. Ein Beispiel ist die Wohnung der Eltern in der gleichen Stadt. Dritter Ort kann auch die Arztpraxis oder die Werkstatt sein, vorausgesetzt Sie halten sich dort mehr als 2 Stunden auf. Der direkte Weg zwischen diesem Ort und dem Arbeitsplatz ist dann versichert. Ein über 2 Stunden langer Stopp bei einer Freizeitaktivität, wie dem Fitnessstudio, zählt wiederum nicht dazu.

Gesetzliche Versicherung in der Mittagspause

In der Mittagspause ist nur der Weg hin und von dem Essens-Ort versichert. Dabei ist es im Regelfall unerheblich, ob Sie in die Kantine gehen oder außerhalb in einer Gaststätte essen. Der Aufenthalt in der Kantine oder Gaststätte ist wiederum nicht versichert, da das Essen zu einer den privaten Angelegenheiten zählt.

Haftung für betriebliche Freizeitaktivitäten

Oft gibt es Firmenevents, wie Grillfeiern oder gemeinsame Ausflüge. Ob diese Tätigkeiten versichert sind, hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist im Regelfall, ob die Veranstaltung eine betriebliche Pflicht ist und Sie eine Verantwortung haben, an dem Event teilzunehmen. Ist die betriebliche Feier eine von der Firma oder dem Chef organisierte Veranstaltung, zu der alle Mitarbeiter eingeladen sind und welche die Zusammenhörigkeit verbessern soll, haftet die gesetzliche Unfallversicherung. Aktivitäten, wie ein Skiausflug mit den Mitarbeitern sind, wiederum nicht versichert, auch wenn diese von der Firma organisiert werden.

Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt möglicherweise einen Teil Ihrer Renten bei dauerhafter Erkrankung.
Die gesetzliche Unfallsversicherung zahlt für die medizinische Behandlung in Folge eines Arbeitsunfalls.

Wer entscheidet über die Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung?

Ob ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird, entscheiden die gesetzlichen Unfallversicherungsträger selbst. Dazu gehören:

  • die gewerblichen Berufsgenossenschaften: für Beschäftigte in privaten Wirtschaftsunternehmen
  • die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft: für Beschäftigte in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft
  • die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, z.B. Unfallkassen: für Beschäftigte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie für Kindergartenkinder, Schüler und Studenten

Ablauf der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Arbeitsunfall

Nach dem Arbeitsunfall sollten Sie schnellst möglich einen Durchgangsarzt aufsuchen. Dieser Arzt hat eine besondere Zulassung bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Gehen Sie zu einem nicht zugelassenen Arzt, sollten Sie unbedingt erwähnen, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Auch Ihren Chef sollten Sie umgehend informieren, damit der Unfall dokumentiert ist.

Wenn der Arbeitsnehmer durch einen Arbeitsunfall mehr als 3 Kalendertagen lang arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitsgeber die Versicherung informieren. Haben Sie womöglich eine Berufskrankheit erlitten, muss der untersuchende Arzt dies melden. Die zuständige gesetzliche Unfallsversicherung prüft dann durch Befragung des Unternehmens, der Zeugen oder durch Untersuchung des Arbeitsplatzes, ob die Voraussetzungen für den Arbeitsunfall erfüllt sind. Essenziell ist, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem erlittenen Schaden gibt. Außerdem ermittelt die Versicherung die Krankheitsvorgeschichte und holt ein Gutachten bei einem Sachverständigen ein. Diese Sachverständigen sind von der Versicherung (zumindest formal) unabhängige Personen, meistens Ärzte. Die Versicherten können aber auch selbst fachlich qualifizierte Gutachter vorschlagen. Eine Kopie des Gutachtens können Sie grundsätzlich vom Versicherungsträger fordern.

Ob der gesetzliche Versicherungsträger letztendlich für den Unfall haftet, bekommen Sie schriftlich mitgeteilt. Erkennt die Versicherung Ihren Unfall nicht an, kann innerhalb eines Monats bei der Versicherung ein Widerspruch eingereicht werden. Weist die Versicherung diesen Widerspruch zurück, können Sie eine Klage beim Sozialgericht einreichen.

Welche Leistungen bekommen Sie aus der gesetzlichen Unfallversicherung?

Die Leistungen beinhalten:

  • Behandlungsmaßnahmen
  • medizinische Rehabilitation
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Umschulung)
  • Geldleistungen an Versicherte (z.B. Lohnersatzleistungen und Rentenleistungen)
  • im Todesfall: Hinterbliebenenleistungen (z.B. Witwen-/Witwer- und Waisenrenten).

Erkennt die Versicherung Ihren Arbeitsunfall nicht als solchen an, informiert diese die Krankenkassen. Die Krankenkasse zahlt die notwendigen medizinischen Leistungen.

Rente bei dauerhafter Erkrankung

Bei einer vollständigen und dauerhaften Erwerbsunfähigkeit bekommt der Versicherte eine Rente von zwei Drittel des Brutto-Jahres-Verdienstes. Erkrankt der Versicherte länger als 26 Wochen und die Erwerbsfähigkeit mindert sich um mindestens 20 Prozent, erhält dieser eine Rente von mindestens 20 Prozent der Verletztenrente.

Beispiel:
Der Versicherte hat eine Jahres-Brutto von 75.000 Euro.
Ist er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt, bekommt dieser jährlich ein Brutto-Gehalt von 50.000 Euro. Ist dessen Arbeitsfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls um 20 Prozent gemindert, beträgt die jährliche Rente 10.000 Euro.

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