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Scheidung bei selbständigen Unternehmern

Eheringe auf einem Schreibtisch. (Symbolbild: Unternehmer-Scheidung)
17. Februar 2022

Zusammenfassung

  • Eine Scheidung bei selbständigen Unternehmern ist meist komplex.
  • Hauptstreitpunkt ist oft, ob Unternehmenswerte auszugleichen und wie diese zu bewerten sind.
  • Der Zugewinnausgleich kann dazu führen, dass das Unternehmen verkauft werden muss oder insolvent wird.
  • Gibt es keinen Ehevertrag, ist eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung dringend zu empfehlen, um das Unternehmen nicht zu gefährden.

Grundsätzlich läuft eine Scheidung selbständiger Unternehmer genauso ab wie andere Scheidungen auch: Nach der Trennung „von Tisch und Bett“ muss zunächst das Trennungsjahr abgewartet werden. Dann kann die Scheidung eingereicht werden. Das Gericht spricht nach dem Scheidungsprozess die Scheidung aus und regelt dabei den Versorgungsausgleich, auf Antrag auch gleich alle weiteren Scheidungsfolgen, wie Unterhalt, Sorgerecht oder Zugewinnausgleich.

Allerdings sind Unternehmerscheidungen oft komplexer als andere Verfahren. Macht ein Ehegatte den gesetzlichen Zugewinnausgleichsanspruch geltend, muss die Wertsteigerung der Firma des Mannes oder der Frau bzw. der Anteile daran bewertet und hälftig ausgeglichen werden. Oft wird dann gestritten: Um die Bewertung, um die Aufteilung, um den Verkauf, um den (für den Unterhalt relevanten) Gewinn.

RECHTECHECK erklärt die wichtigsten Eckpunkte, wenn sich Selbständige scheiden lassen wollen. Die Ausführungen können für Gesellschafter, Handwerker, Freiberufler, Landwirte und andere Unternehmer allerdings nur eine erste Orientierung darstellen. Gerade bei Unternehmer-Scheidungen empfiehlt es sich, frühzeitig einen Anwalt einzuschalten. Dadurch können teure Fehler vermieden und versäumte ehevertragliche Regelungen nachgeholt werden.

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Unternehmer-Scheidung im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) ohne Ehevertrag handelt. Ansonsten würden in der Regel ja die Vereinbarungen aus dem Ehevertrag gelten. Grundsätzlich sind die Aussagen unabhängig von der Rechtsform. Sie sind also nicht nur auf Einzelunternehmen anwendbar, sondern z.B. auch auf freie Berufe, GmbH, Kommanditgesellschaften oder entsprechende Beteiligungen.

Es werden insbesondere folgende Aspekte einer Unternehmer-Scheidung abgedeckt:

  • Zugewinnausgleich und Unternehmensbewertung
  • Gemeinsame Firma mit dem Ehepartner
  • Fallstrick Ehegattengesellschaft
  • Beendigung von Bürgschaften
  • Versorgungsausgleich bei Selbständigen
  • Scheidungsfolgenvereinbarungen bei Unternehmer-Scheidungen

Zugewinnausgleich: Problematisch ist die Unternehmensbewertung

Für Ehen im „gesetzlichen Güterstand“ funktioniert auch bei der Scheidung selbständiger Unternehmer der Zugewinnausgleich grundsätzlich wie bei anderen Paaren auch: Beide Eheleute ermitteln ihr Netto-Vermögen zu Beginn und am Ende der Ehe und errechnen daraus ihren jeweiligen Zugewinn. Unterschiede in den Zugewinnen werden dann ausgeglichen. Dabei gelten zwei Einschränkungen. Zum einen gibt es keinen negativen Zugewinn – immerhin heißt es Zugewinngemeinschaft und nicht Verlustgemeinschaft. Hat ein Partner Nettovermögen verloren, zählt das folglich als ein Zugewinn von 0. Zum anderen ist der Zugewinnausgleich auf das eigene Endvermögen begrenzt. Hat ein Partner also seinen Zugewinn durch Schuldenabbau erzielt und bei der Scheidung immer noch kein positives Nettovermögen, muss er auch keinen Zugewinnausgleich zahlen.

Lassen sich Selbständige scheiden, gibt es dabei aber ein Problem: Während bei Bargeld, Gold, Wertpapieren und Aktien klar ist, wie viel sie wert sind und sich selbst bei Immobilien und Autos der Wert noch vergleichsweise gut ermitteln lässt, ist das beim Unternehmenswert schwieriger. Das gilt erst recht für den Wert zum Zeitpunkt der Hochzeit. Dieser liegt ja teilweise Jahrzehnte zurück, weshalb oft gar keine Unterlagen mehr vorhanden sind.

In der Regel sind die Buchwerte, zu denen Aktiva (wenn überhaupt) bilanziert werden, wenig aussagekräftig. Marktwerte oder Widerbeschaffungswerte sind aber kaum zu ermitteln. Darüber hinaus besteht der eigentliche Wert vieler Unternehmen aus immateriellen Werten, wie bestehenden Kundenbeziehungen, eingespielten Abläufen unter den qualifizierten Mitarbeitern, Rechten oder der Bekanntheit am Markt. Daher ist es üblich, bei einer Unternehmer-Scheidung den Wert der Firma nach dem Ertragswertverfahren zu berechnen. Dabei werden vereinfacht gesagt die zukünftigen Gewinne geschätzt und auf den Bewertungsstichtag abgezinst. („Abgezinst“ bedeutet, dass zukünftige Zahlungen um Zins und Zinseszins für die Zeit bis zu ihrem Eintritt reduziert werden, da sie weniger wert sind als heutige Zahlungen.) Streit kann es hier unter anderem um den angemessenen Zins geben, da er einen sehr starken Einfluss auf den Ertragswert hat.

Die Schätzung der zukünftigen Gewinne erfolgt im Wesentlichen auf Basis von Vergangenheitsdaten, also anhand der vorhandenen Buchhaltung. Aber auch bereits absehbare zukünftige Entwicklungen werden berücksichtigt.

Die Ansichten, wie hoch der Ertragswert ausfällt, können insgesamt recht weit auseinandergehen. Da die Bewertung auch auf Vergangenheitsdaten basiert, sind manche Selbständige versucht, den Wert durch „kreative Buchführung“ noch vor dem Scheidungstermin zu beeinflussen. Von der Ausnutzung von Wahlmöglichkeiten bei der Abschreibung über vorgezogene Marketingausgaben bis hin zur verspäteten Erstellung von Rechnungen sind hier einige Möglichkeiten denkbar, wie man sich „arm rechnen“ kann. Zielführend und legal sind nicht alle.

Problematisch ist auch der Umgang mit Schwarzgeld. Einerseits kann man damit Einkünfte vor dem zukünftigen Ex-Ehepartner und dem Finanzamt verstecken, andererseits ist Steuerhinterziehung eine Straftat . Weiß der Partner von einer Steuerhinterziehung, muss man außerdem damit rechnen, dass diese im Rahmen der Scheidung aufgedeckt wird – entweder um einen höheren Zugewinnausgleich herauszuschlagen oder schlicht aus Rache. Dann sollte man sich sogar eine Selbstanzeige überlegen.

Die Bewertung des Unternehmens oder von Gesellschaftsanteilen ist nicht nur teuer. Die Werte werden auch oft so hoch eingeschätzt, dass bereits absehbar ist, dass das Unternehmen nach der Scheidung verkauft oder aufgelöst werden muss. Dann kann für die Bewertung statt des Ertragswerts auch der Veräußerungswert oder der Liquidationswert verwendet werden.

Natürlich kann man auch bereits vor der Scheidung die Firma verkaufen (oder liquidieren). Das hat nicht nur den Vorteil, dass es keine Unsicherheiten bezüglich der Bewertung mehr gibt. Der bisher selbständige Unternehmer hat dadurch auch die liquiden Mittel für den Zugewinnausgleich. Dieser ist nach der Scheidung nämlich direkt fällig. Wenn der Unternehmer dann nicht zahlen kann (oder sich übermäßig verschulden muss) droht ansonsten ohnehin die Insolvenz. Allerdings steht der Unternehmer auch ohne Einkommen da, wenn er wegen der Scheidung die Firma verkaufen musste.

Um die sich ergebenden Gestaltungsspielräume rechtssicher zu nutzen oder auf der anderen Seite unzulässige Manipulationen aufzudecken, braucht man normalerweise Spezialisten. Dasselbe gilt, wenn man in gegenseitigem Einvernehmen eine tragfähige Lösung finden will, die für beide Seiten fair ist und die Liquidität und den Fortbestand des Unternehmens nicht gefährdet. Daher empfiehlt es sich besonders bei Scheidungen von Selbständigen, möglichst frühzeitig einen spezialisierten Anwalt für Scheidungsrecht einzuschalten und sich über einen Konsens zu verständigen. Wird der Unternehmenswert erst im Scheidungsverfahren ermittelt, beauftragt das Gericht einen eigenen Gutachter. Dadurch wird der Prozess teurer, langwieriger und im Ergebnis für beide Seiten nicht planbar.

Gemeinsame Firma mit dem Ehepartner

Haben die Ehepartner das Unternehmen gemeinsam gegründet, spielt der Unternehmenswert meist eine untergeordnete Rolle. Ein höherer oder niedrigerer Unternehmenswert wirkt sich dann ja auf das Vermögen von beiden Eheleuten aus. Das gilt zumindest, wenn beide gleiche Anteile haben und es ohne das Unternehmen keinen negativen Zugewinn bei einem Ehegatten gibt.

Ob man nach der Scheidung noch in einer gemeinsamen Firma zusammenarbeiten will und kann, muss man selbst entscheiden. Wie das Unternehmen dann ggf. aufgeteilt bzw. liquidiert oder einer der Mitinhaber aus der Firma gedrängt werden kann, ist eine Frage des Gesellschaftsrechts sowie der geschlossenen Verträge.

Fallstrick Ehegattengesellschaft

Manche Unternehmer erleben bei der Scheidung eine böse Überraschung: Obwohl das Unternehmen nur auf den Namen eines Ehepartners läuft, sieht das Gericht es als eine gemeinsame „Ehegattengesellschaft“ an. Das ist vor allem der Fall, wenn der andere Ehepartner lange unbezahlt (bzw. unterbezahlt) und mit großem Einfluss im Unternehmen mitgearbeitet hat. Oft kommt das bei kleinen Handwerksbetrieben vor, in denen beispielsweise der Mann als Meister den Betrieb offiziell führt, während die Frau sich um die Büroarbeit kümmert.

Eine solche Konstellation ist oft von beiden Seiten nicht gewollt. Daher sollten sich die Eheleute professionellen juristischen Rat einholen.

Bürgschaften für die Firma nach der Scheidung

Wenn der selbständige Ehepartner für sein Unternehmen einen Kredit braucht, fordern Banken häufig eine Bürgschaft vom anderen Partner – insbesondere, wenn dieser eine Festanstellung oder Vermögen hat. Solche Bürgschaften bleiben auch nach der Scheidung bestehen, solange der Vertrag, für den gebürgt wurde, noch läuft. Um die Bürgschaft zu beenden, müsste der selbständige Partner also den Vertrag mit dem Kreditgeber kündigen oder die Sicherheiten neu verhandeln.

Grundsätzlich können Bürgschaften auch beim Zugewinnausgleich als negatives Vermögen angerechnet werden. Die anrechenbare Höhe hängt dann von der ausstehenden Restschuld und dem Risiko für den Eintritt des Bürgschaftsfalls ab. Das ist besonders dann relevant, wenn sich die Firma des selbständigen Partners zum Zeitpunkt der Trennung bereits in Schieflage befindet.

Gut zu wissen: Viele Bürgschaften, die Ehepartner von Unternehmern abgegeben haben, sind von vorneherein sittenwidrig und damit nichtig – und das unabhängig von der Scheidung. Das ist der Fall, wenn der Bürge mit der Forderung finanziell krass überfordert wäre und die Bank die emotionale Verbundenheit des Bürgen gegenüber dem Ehepartner ausgenutzt hat.

Versorgungsausgleich bei Selbständigen

Auch der Versorgungsausgleich läuft bei einer Unternehmer-Scheidung im Prinzip genauso wie bei anderen Trennungen: Das Familiengericht ermittelt die erworbenen Altersvorsorge-Ansprüche und gleicht sie aus. Allerdings gibt es bei Scheidungen von Selbständigen einen Unterschied: Unternehmer zahlen meist nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein, sondern sorgen privat vor – wenn überhaupt. So kann es sein, dass beispielsweise der angestellte Ehemann seine gesetzlichen Rentenansprüche mit der Frau teilen muss, ohne dafür etwas zurückzubekommen – weil die selbständige Ehefrau nicht für ihr Alter vorgesorgt hat.

Tipp: Scheidungsfolgenvereinbarung

Auch bei einer Unternehmer-Scheidung wird den Parteien vom Gericht das zugesprochen, was ihnen rechtlich zusteht. Ein solcher Beschluss muss dabei weder ökonomisch sinnvoll sein noch den Wünschen und Präferenzen der zu scheidenden Eheleute entsprechen. Hinzu kommt: Gerade Selbständige und Freiberufler nutzen im Trennungsjahr teilweise alle möglichen – und ökonomisch oft nicht sinnvollen – Mittel, um ihr Einkommen und ihr Vermögen „kleinzurechnen“.

Daher macht es gerade bei einer Unternehmer-Scheidung oft Sinn, die Trennungsfolgen möglichst früh und unabhängig vom Gericht in einer Scheidungsfolgenvereinbarung zu regeln. Das ist so etwas wie ein nachträglicher Ehevertrag. Dabei können die noch-Ehepartner weitgehend frei alle Aspekte ihrer Scheidung aushandeln. Beispielsweise könnte der weniger vermögende Partner auf den Zugewinnausgleich (teilweise) verzichten, um keine Insolvenz der Firma zu riskieren. Im Gegenzug könnte dann ein höherer Ehegattenunterhalt ausgehandelt werden. Denkbar wäre auch, den Zugewinnausgleich nicht in bar zu regeln, sondern z.B. Immobilien zu übertragen. Werden diese noch für das Unternehmen benötigt, können sie anschließend zurückgemietet werden. Auch andere Aspekte einer Scheidung wie Sorgerecht, Versorgungsausgleich, Kindesunterhalt oder die Beendigung von Bürgschaften können in einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden.

Gerade wenn es um die komplexe Scheidung selbständiger Unternehmer geht, kann eine Scheidungsfolgenvereinbarung auch bares Geld und viel Zeit sparen: Die Trennungsvereinbarung wird bereits vor Ablauf des Trennungsjahres abgeschlossen und der eigentliche Scheidungstermin ist dann nur noch eine reine Formsache, die wenige Minuten dauert. Ansonsten können sich gerade die Scheidungen Selbständiger über Jahre und etliche Gerichtstermine hinziehen. Ist man sich von vorneherein einig, kann man die Scheidungsfolgenvereinbarung auch nutzen, um mit einer einvernehmlichen Scheidung Anwaltskosten zu sparen.

Vor Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung sollte der Rat eines Anwalts eingeholt werden. Außerdem muss sie von einem Notar beurkundet werden, damit sie auch gültig ist.

Autor

Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung. Nach seinem Ausscheiden bei RECHTECHECK wechselte Robert zur Nürnberger Werbeagentur BESONDERS SEIN.

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