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Prozessbeschäftigung und Weiterbeschäftigung in einer Kündigungsschutzklage

Wie Sie während einer Kündigungsschutzklage vorläufig ihre alte Arbeit behalten.

Während der Kündigungsschutzklage beim alten Arbeitgeber weiterarbeiten? Solange es emotional und körperlich zumutbar ist, für viele eine gute Lösung.
24. September 2020

Das Szenario: Sie werden von Ihrem Arbeitgeber gekündigt und halten diese Kündigung für ungerechtfertigt. In Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht reichen Sie eine Kündigungsschutzklage ein, um die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen. In vielen Fällen endet ein solcher Prozess mit einem frühen Vergleich oder einer außergerichtlichen Einigung über einen Aufhebungsvertrag.

Vermeidung des Annahmeverzugs durch Prozessbeschäftigung

Dauert das Verfahren länger und die Kündigungsfrist läuft aus, stellt sich für den Arbeitnehmer die folgenschwere Frage: Was mache ich jetzt? Denn wenn das Arbeitsgericht feststellt, dass Ihre Kündigung unwirksam ist, dann waren Sie rechtlich rückwirkend Angestellter. Für Ihren Arbeitgeber bedeutet das, er muss Ihnen für diese Zeit Gehalt zahlen, egal ob Sie gearbeitet haben oder nicht. Man spricht hier vom Annahmeverzugslohn: Da Sie davon ausgingen, dass Ihre Kündigung unwirksam ist und arbeiten wollten, Ihr Arbeitgeber an Ihrer Arbeit aber nicht interessiert war, gerät er in Annahmeverzug.

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Zwar werden mit der erwarteten Gehaltsnachzahlung einige Dinge verrechnet, etwa erhaltenes Arbeitslosengeld, oder Einkünfte, die Sie aus einer neuen Anstellung erhalten haben – aber je nachdem, wie lange sich der Kündigungsschutzprozess hinzieht, kann die restliche Nachzahlung des Annahmeverzugslohns gerade für kleinere Unternehmen eine erhebliche Belastung werden. Um zu vermeiden, dass sie zahlen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, bieten manche Arbeitgeber bis zum Ende der Kündigungsschutzklage eine Prozessbeschäftigung an. Aber sollten Sie diese annehmen?

Die Prozessbeschäftigung: Arbeitnehmer sollten im Zweifel annehmen

Bietet Ihnen der Arbeitgeber eine Prozessbeschäftigung an, stehen Sie manchmal vor einem Dilemma: Meist hat der Arbeitnehmer die Klage eigentlich nur angestrebt, um eine Abfindung zu realisieren. Beim alten Arbeitgeber weiterarbeiten, nachdem man sich eh schon über die Klage entzweit hat? Keine rosigen Aussichten.

Der Knackpunkt: Von der späteren Gehalts-Schuld Ihres Arbeitgebers werden Ihre Einnahmen aus der Zeit zwischen unwirksamer Kündigung und Urteil abgezogen, aber auch die fiktiven möglichen Einnahmen, falls Sie eine zumutbare Arbeit ablehnen. Lehnen Sie die Arbeit Ihres Ex-Arbeitgebers ab, tritt genau dieser Fall ein. Der Arbeitgeber hebelt so den Annahmeverzug aus und kann Ihnen eindeutig belegen, dass Sie zumutbare Arbeit abgelehnt haben.

Regelmäßig wird hier darüber gestritten, ob die angebotene Arbeit zumutbar war, vor allem da Sie kein Anrecht auf die exakt gleiche Stelle haben – die im Fall einer betriebsbedingten Kündigung vielleicht sogar nicht einmal mehr existiert. Im Zweifel sollten Sie die Prozessbeschäftigung also annehmen, um später Ihre Ansprüche durchsetzen zu können. Das so erwirtschaftete Gehalt für geleistete Arbeit dürfen Sie nämlich auch dann behalten, wenn die Klage keinen Erfolg hat und die Kündigung wirksam ist.

Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch bei Kündigungsschutzklage

Anders sieht es aus, wenn Sie explizit arbeiten möchten, Ihr Arbeitgeber sich aber querstellt. Hier fällt die Option einer Prozessbeschäftigung aus, da diese immer vom Arbeitgeber ausgeht. Über eine sogenannte Weiterbeschäftigung können Sie Ihren Arbeitgeber aber de facto dazu zwingen, Sie arbeiten zu lassen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Erst wenn es zu einem Urteilsspruch kommt, Ihre Kündigung wirklich für unwirksam erklärt wurde und Ihr Arbeitgeber weiterhin die Beschäftigung verweigert, ist sie überhaupt möglich. Geht Ihr Arbeitgeber dann nämlich in Berufung, geht er weiterhin davon aus, dass die Kündigung wirksam ist. Ärgerlich, schließlich können bis zum Termin in der zweiten Instanz Monate vergehen, in denen Ihre berufliche Situation unsicher ist.

Für diesen Fall stellen Sie oder Ihr Anwalt im Normalfall im Zuge der Kündigungsschutzklage einen Weiterbeschäftigungsantrag. Wird Ihre Kündigung für unwirksam erklärt, verpflichtet das Gericht den Arbeitgeber damit gleichzeitig dazu, Sie bis zum Ende des Prozesses in der nächsten Instanz weiterzubeschäftigen. Diese Weiterbeschäftigung ist rechtlich anders zu werten als die Prozessbeschäftigung. Letztere funktioniert im Prinzip wie ein separater Arbeitsvertrag, der auf die Dauer des Prozesses befristet ist. Die Weiterbeschäftigung dagegen wird regelmäßig als Schuldverhältnis nach §812 BGB gewertet, einfach gesagt: als Tausch.

Grundlagen des Weiterbeschäftigungsanspruchs

Im Falle einer gerichtlich verfügten Weiterbeschäftigung können Sie Ihr Recht auf Arbeit auch per Zwangsvollstreckung geltend machen. Der Arbeitgeber wird Sie in diesem Fall schriftlich darauf hinweisen, dass er Sie nur weiterbeschäftigt, um diese drohende Zwangsbeschäftigung abzuwenden. Spätestens jetzt ist nicht von einem regulären Arbeitsverhältnis auszugehen, mit weitreichenden Folgen für Sie: der Arbeitgeber ist ab jetzt nur noch verpflichtet, Ihnen tatsächlich geleistete Arbeit zu vergüten. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es genauso wenig wie an gesetzlichen Feiertagen. Erst, wenn auch in der nächsten Instanz die Kündigung für unwirksam erklärt wird, muss Ihnen der Arbeitgeber diese Zeiten ersetzen.

Gewinnt der Arbeitgeber den Prozess, dürfen Sie allerdings den erhaltenen Lohn einbehalten, da der Arbeitgeber seiner eigentlichen Pflicht, die in der Zwischenzeit geleistete Arbeit „herauszugeben“, nicht nachkommen kann.

Sonderfall Urlaub bei Weiterbeschäftigung

Anders sieht es aus beim Urlaubsanspruch – hier kann laut einschlägiger Rechtsprechung der europäische Arbeitnehmerbegriff angewendet werden: Wer für einen anderen eine Tätigkeit ausübt, ist Arbeitnehmer, woraus sich ein Urlaubsanspruch ergibt. Da die Rechtsprechung hier wie Sie sehen, sehr vertrackt sein kann, ist ein erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht in einem Prozess mit lang andauernder Weiterbeschäftigung goldwert.

Weiterbeschäftigung dank Betriebsrat

Neben dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch besteht in Unternehmen mit Betriebsrat auch ein betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch nach §102 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hat der Betriebsrat Ihrer Kündigung mit einer ausführlichen Begründung widersprochen und Sie Kündigungsschutzklage eingereicht, dann muss der Arbeitgeber Sie auf Ihr Verlangen bis zum Ende des Rechtsstreits bei gleichen Konditionen weiterbeschäftigen.

Der Arbeitgeber kann dagegen jedoch mit einer einstweiligen Verfügung vorgehen, wenn Ihre Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, Ihre Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre oder der Widerspruch des Betriebsrats unbegründet war.

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