Behandlungsfehler sind an sich schon sehr kritische Angelegenheiten. Manchmal können sie glimpflich ausgehen, manchmal aber einschneidende Konsequenzen mit sich ziehen. Eine dieser tragischen Fälle ist die Querschnittslähmung, die sich aufgrund eines Ärztefehlers ergeben kann.
Im Folgenden erklären wir Ihnen, wie es zu einer Querschnittslähmung durch Behandlungsfehler kommen kann, wie Sie einen Behandlungsfehler beweisen müssen und wie Ihre Erfolgschancen vor Gericht aussehen.
Ärztlicher Behandlungsfehler führt zur Querschnittslähmung
Die Gesetzeslage sieht vor, dass die Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgen muss, die zum Zeitpunkt der Behandlung bestehen – außer es wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Wenn der Arzt oder die Klinik die medizinischen Standards nicht einhalten, liegt ein Behandlungsfehler vor.
Verwechseln Sie dabei Behandlungsfehler nicht mit Behandlungserfolg! Eine Behandlung kann durchaus fehlerfrei verlaufen, aber nicht das gewünschte Ergebnis erzielen (Behandlungserfolg). Kein Arzt ist zum Behandlungserfolg verpflichtet, da dieser auch bei bestmöglicher Behandlung nicht garantiert werden kann.
Andererseits kann es trotz eines Behandlungserfolgs zu unerwünschten Nebenwirkungen oder Folgeschäden kommen. So kann es sein, dass der Einsatz einer neuen Hüfte erfolgreich ist. Bei der Hüft-TEP könnte aber aufgrund mangelnder Hygiene eine Infektion auftreten (Behandlungsfehler, da der Hygienestandard nicht erfüllt wurde).
Ferner spielen in der Praxis sogenannte Aufklärungsfehler eine erhebliche Rolle. Hiervon spricht man, wenn der Arzt den Patienten falsch oder unvollständig über mögliche Therapie- oder OP-Risiken informiert, die ja selbst bei optimaler Behandlung auftreten können. Daneben kommt es häufig zu Diagnosefehler. Ein solcher Fehler liegt beispielsweise vor, wenn der Arzt bei einer Untersuchung ein Karzinom übersieht, welches deshalb erst verspätet behandelt werden kann.
Insbesondere Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule benötigen höchste Präzision und ein „ruhiges Händchen“ des Chirurgen. Schon der kleinste Fehler bei einer Operation am Rücken kann zu massiven körperlichen Schäden führen, die weitreichende Auswirkungen auf das persönliche und wirtschaftliche Leben des Patienten haben. Die Behandlungsfehler können u.a. Nervenschäden oder Lähmungserscheinungen umfassen, sowie einen groben Behandlungsfehler in Form einer Querschnittslähmung darstellen. Somit kann die eigentlich geplante Linderung oder Beseitigung der Rückenbeschwerden das Ende des gewohnten Lebens und den Beginn eines völlig anderen Lebens darstellen
Wie beweise ich einen Behandlungsfehler?
Bei möglichen Behandlungsfehlern sollten Sie zunächst Ihre Krankenkasse kontaktieren und sich im Rahmen einer Erstberatung erkundigen. Bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler beschaffen rund drei von vier Kassen Unterlagen von der Behandlungsseite. 70 Prozent der Kassen beauftragen den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit einem Gutachten. Denn ein Behandlungsfehler im juristischen Sinn liegt dann vor, wenn der Patient nicht nur seinen Schaden nachweisen, sondern auch belegen kann, dass der Arzt einen Fehler gemacht und dass dieser zum Schaden geführt hat. Nur bei einem groben Behandlungsfehler wie (z.B. OP-Besteck im Patienten vergessen) ist der Nachweis einer korrekt ausgeführten Operation vom behandelnden Arzt erforderlich.
Die Gutachten der Schlichtungsstellen können dem Patienten im Prozess helfen, einen Fehler nachzuweisen. Eine Garantie für einen erfolgreichen Prozess ist das allerdings nicht. Vor Gericht wird in jedem Fall ein neues Gutachten erstellt.
Außerdem ist zu beachten, dass man nicht ewig Zeit hat, zu klagen, da auch der Schadensersatz für Behandlungsfehler verjährt.
Erfolge vor Gericht
Die Schmerzensgelder, die von Gerichten ausgesprochen werden, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erhöht. Wurden beispielsweise für eine Querschnittslähmung vom 11. und 12. Brustwirbel abwärts, die auf einem ärztlichen Behandlungsfehler beruht, im Jahre 1995 noch ein Schmerzensgeld in Höhe von umgerechnet 65.000 € zugesprochen (OLG Schleswig-Holstein), bekommen Klagende heutzutage für vergleichbare Verletzungen und Schädigungen in der Regel mindestens die doppelten Beträge zugesprochen. Schwerste Querschnittslähmungen führen heutzutage zu Schmerzensgeldern im Bereich von bis zu 500.000 €. Vergleichen Sie hierzu unsere Schmerzensgeldtabelle.
Urteile zu Behandlungsfehlern, die zur Querschnittslähmung führten:
- Operation einer Aortenisthmusstenose (Einengung der Hauptschlagader) OLG Schleswig Holstein (13.01.1995, AZ: U 243/86): Das Risiko einer Querschnittslähmung hätte zweifelsfrei dem Herzchirurgen, welcher den 12-jährigen Jungen (Geschädigter) über dieses Risiko hätte aufklären müssen, bekannt sein müssen.
- Behandlungs- und Diagnosefehler – OLG Hamm (11.11.2016, Az.: 26 U 111/15) Ein grober Behandlungsfehler vom Operateur, da die Vornahme eines schwerwiegenden operativen Eingriffs (Hals-Wirbelsäulen-OP) ohne eine zuvor gesicherte Diagnose vollzogen wurde. Eine neurologische Untersuchung fehlte, wodurch die Operation nicht indiziert wurde. Die Patientin war infolge der Operation an der Halswirbelsäule querschnittsgelähmt, selbständig atmungsunfähig und zudem sprachbeeinträchtigt. Das OLG Hamm sprach ihr ein Schmerzensgeld von 400.000 € zzgl. Anwaltskosten i.H. von 10.000€ zu. Ferner wurde der Beklagte zur Ersatzpflicht bezüglich der materiellen Schäden der Klägerin verpflichtet.
- Herbeiführung einer Querschnittslähmung wegen Behandlungsfehler – BGH (14.01.2014, Az.: VI ZR 340/13) Behandelnder Neurochirurg wies den Geschädigten auf die Risiken einer allergischen Reaktion, einer Entzündung und einer neurologischen Komplikation hin, nicht jedoch auf das Risiko des Eintritts einer Querschnittslähmung bei einer Kontrastmitteluntersuchung einer „Schmerzpumpe“. Der BGH sprach dem Geschädigten ein Schmerzensgeld von 371.000€ zu.
- Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung eines unter Morbus Bechterew und Alkoholsucht leidenden Patienten mit der Folge einer Querschnittslähmung – OLG Hamm (05.05.2004, Az.: 3 U 111/03) Der Patient wurde bewusstlos und mit 4,4 Promille in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte röntgten dessen Wirbelsäule trotz seiner Beurkundungen starker Rückenschmerzen erst eine Woche später, was schlussendlich eine Wirbelsäulenfraktur des 5./6. Halswirbels aufzeigte. Diese konnte operativ nicht mehr beseitigt werden und führte so zur kompletten Querschnittslähmung. Im folgenden Jahr verstarb er an Multiorganversagen. Die Klägerin bekam über 100.000 € als Ersatzanspruch für die Behandlungskosten des Verstorbenen zugesprochen.
- Behandlungsfehler bei Wirbelsäulenoperation – LG Regensburg (19.11.2015, Az.: 4 O 1318/11 (1)) Eine sehr starke Rückgratverkrümmung sollte durch eine Operation an der Wirbelsäule aufgerichtet werden. Dabei wurde es durch die Narkotisierung unmöglich gemacht, eine vorhersehbare Nervenverletzung zu kontrollieren. Damit kam es zu einer Beeinträchtigung nervenversorgender Blutgefäße, was schlussendlich zum Absterben ebendieses Nervs führte. Die Patientin ist ab dem 5. Brustwirbelkörper querschnittsgelähmt. In Folge eines Rechtsstreits mit den Operateuren wurden ihr 400.000 € Schmerzensgeld zugesprochen.
Diese hohen Beträge orientieren sich schlussendlich an Grad und Ausprägung der Lähmung und am Alter des Patienten: Einem jungen Patienten müssen mehr materielle und immaterielle Einbußen ausgeglichen werden. So können die Verdienstausfälle über Jahrzehnte summiert über eine Million Euro betragen. Dazu kommen Ansprüche auf Ersatz für Haushaltsführungsschaden und Pflegekosten sowie den behindertengerechten Umbau der Wohnumgebung.
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